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057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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vier oder fünf Minuten abermals die ›Kent‹:
    ›Verfolge mit Volldampf Jagdkurs. Verständigt nächsten amerikanischen Kreuzer.‹
    Bill nahm mit einem Gefühl unsäglicher Erleichterung den Kopfhörer ab. Im gleichen Augenblick rüttelte jemand an der von innen versperrten Tür der Station, und eine Stimme schrie:
    »Was ist denn da drinnen los?«
    Die drei hochgelegenen Fenster der Funkstation waren so angebracht, daß man von draußen nicht ohne weiteres hineinschauen konnte. Bill kletterte auf den Tisch unterhalb des Backbordfensters, löste mit fliegenden Händen die Schrauben und stieß den Flügel auf. Ein paar Sekunden danach stand er schon auf Deck und rannte, so schnell ihn die Beine trugen, nach achtern. Er wußte, daß der Niedergang dort bewacht war, daher blieb ihm nichts anderes übrig, als über die Reling zu setzen, sich mit beiden Händen an der Deckleiste anzuklammern und mit einem Schwung auf das darunterliegende Deck fallen zu lassen. Es war keine ganz leichte Sache, denn in dem dichten Nebel konnte er nicht ausmachen, wo er landen würde, doch das Wagnis gelang.
    Es handelte sich jetzt zunächst darum, ob Hale einen Verdacht gegen den Steward gefaßt hatte, der mit dem Tragbrett auf der Brücke gewesen war. Bill blieb nichts anderes als abzuwarten. Er eilte in seine Dienstkabine hinab, versteckte das Giftfläschchen und begab sich wieder auf Deck. Er brauchte nicht lange zu warten, denn bald darauf erschallte viermal hintereinander die Dampfpfeife. Das war das Signal, das alle Mann an Deck rief.
    »Jetzt wird man entdecken, daß ich ein blinder Passagier oder etwas Ähnliches bin«, sagte Bill zu sich selbst.
    Er trat mit den andern Stewards auf dem unteren Promenadendeck an. Nach etwa einer halben Stunde sah er die mächtige Gestalt Harvey Hales näher kommen, der Mann für Mann musterte. Vor Bill blieb er stehen.
    »Du bist doch der Steward, der vor kurzem Kaffee auf die Brücke gebracht hat, nicht wahr?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Was hast du auf dem Bootsdeck zu tun gehabt?«
    Die Frage allein schon sagte Holbrook, daß sich der Kapitän nur in Vermutungen erging, denn sonst hätte er sich nicht lange mit Fragen aufgehalten.
    »Auf dem Bootsdeck, Sir?« erwiderte Bill. »Ich mußte doch über das Bootsdeck, um zu Ihnen zu kommen.«
    »Und bist du dann geradewegs auf das Promenadendeck zurückgekehrt?«
    »Ja, Sir.«
    »Der Posten behauptet aber, du wärst nicht an ihm vorbeigekommen.«
    Bill begriff, daß er jetzt um sein Leben lügen mußte.
    »Es war gar kein Posten auf der Treppe«, sagte er.
    Es war ein verzweifelter Versuch, sich aus der Schlinge zu ziehen, aber zufällig hatte er Erfolg. Hale wandte sich mit einem Fluch seinem Begleiter zu.
    »Das kommt davon, wenn man so einen Kerl von der Küstenfahrt an Bord eines Hochseeschiffes verwendet!« schimpfte er. »Es ist wahr, daß der Mann nicht an seinem Platz war. Ich sah ihn auch nicht, als ich herunterkam!«
    Wenige Minuten später durfte die Schiffsbemannung wieder wegtreten, worauf sich Bill mit einem Gefühl ungeheurer Erleichterung in seine Kabine zurückzog. Das Verschwinden des Funkers und des Wachtpostens vor der Station war offenbar bereits entdeckt worden.
    Das Schiff war schon eine Zeitlang auffallend langsam gefahren. Gegen elf Uhr nachts holte es unter großem Getöse bedrohlich nach Backbord über, so daß alles an Bord dachte, es sei der letzte Augenblick gekommen. Aber die ›Escorial‹ hatte nur einen Eisberg gestreift, und eine Stunde später kam der Dampfer vom Nebel frei.
    Ein wunderbarer Anblick bot sich den so unsanft in ihrer Nachtruhe Gestörten dar. Das Meer war ringsherum mit Treibeis bedeckt, und inmitten der Schollen, die wie kleine, schwimmende Inseln aussahen, zeigten sich hier und da die abenteuerlichen, zerklüfteten Formen eines großen, stark geschmolzenen Eisbergs.
    Mittlerweile war den Passagieren auch das Betreten des Promenadendecks verboten worden. Holbrook vermutete, daß diese Maßnahme mit dem Verschwinden der beiden Piraten aus der Funkzentrale zusammenhing. Er gönnte sich einige Stunden Schlaf, und als er erwachte, stellte er fest, daß die ›Escorial‹ wieder volle Fahrt aufgenommen hatte und die See verhältnismäßig eisfrei geworden war. Als erstes eilte er zu den Stoneschen Wohnräumen. Das war seiner Ansicht nach der gefährdetste Punkt. Zweimal hatte sich Dr. Laffin auf seiner Jagd nach Reichtum bitter enttäuscht gesehen: Einmal, als er den alten Lord ermordete, ohne die

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