057 - Schreckensmahl
den
Männern, die sie gehabt hat, und sie wird dir wahrscheinlich sehr viele Fotos
zeigen, die du dir alle ansehen mußt.«
Sie lachten beide. Frank schloß seine Frau in die Arme.
»Immer noch ängstlich?« fragte er.
»Nein. Kein bißchen mehr. – Ich bin gespannt, wer diese
geheimnisvolle Mrs. Moorefield ist. Entschuldige, daß ich mich so kindisch benommen
habe. Ich verspreche dir, daß es nicht wieder vorkommt.«
Mrs. Moorefield traf Donnerstags ein.
Am Nachmittag, wenige Minuten nach zwei, schlug plötzlich
die Klingel in der Villa an.
Joan Berry hatte die Angewohnheit, das große Haupttor
immer verschlossen zu halten. Sie ging nach vorn, um die Besucherin
einzulassen.
Mrs. Moorefield hatte nur einen Koffer dabei. Sie
lächelte freundlich, als Joan Berry sich bereit erklärte, den Koffer zu tragen.
Unwillkürlich warf die junge Frau des Schauspielers einen Blick die
verhältnismäßig belebte Straße entlang.
»Sie sind mit dem Taxi gekommen?« fragte Joan Berry.
»Ja. Der Fahrer wollte mir auch schon den Koffer tragen.
Aber ich bin da ein bißchen eigen, Mrs. Berry. Man sollte
sich nicht jede kleine Arbeit abnehmen lassen. Man muß selbst etwas tun, um fit
zu bleiben. Nehmen Sie’s mir bitte deshalb nicht übel, wenn ich auch Ihr
Anerbieten ablehne, mir den Koffer zu tragen. Ich möchte es gern selbst tun.«
Mrs. Moorefield war eine sympathische Frau.
Für ihr Alter sah sie erstaunlich gut aus.
Als Achtundsechzigjährige wirkte sie wie fünfzig. Sie war
eine gepflegte, distinguierte Erscheinung, ohne hochnäsig oder gar arrogant zu
wirken.
Die Frisur saß tadellos, auf dem Gesicht trug sie ein
dezentes Make-up. Sie bewegte sich elastisch. Ihre Figur war tadellos.
Und Mrs. Moorefield verstand es, Konversation zu machen.
Was sie redete, hatte Hand und Fuß.
Ein Stein fiel Joan Berry vom Herzen, daß sie es mit
einer derart unkomplizierten Frau zu tun hatte.
Es bestand sofort Kontakt. Mrs. Moorefield hatte so etwas
Mütterliches an sich.
Auch Eric mochte sie auf den ersten Blick.
Als Frank am Abend anrief, kam Joan nicht umhin, in
heller Begeisterung von Mrs. Moorefield zu sprechen.
»Na, na, na«, dämpfte er ihren Enthusiasmus.
»Dann hat sie dich doch verhext, wie?«
»Frank! Du sollst nicht mehr davon reden. Auch nicht mehr
in dieser Form.«
»Entschuldige, Honey!«
»Schon gut. Jedenfalls solltest du dir unsere
phantastische Mrs. Moorefield mal ansehen. Selbst Eric ist begeistert von ihr.
Er hat schon zu mir gesagt, daß er eine solche Grandma
immer zum Spielen haben müßte. Die alte Dame versteht es, Kinder für sich zu
gewinnen. Das wundert mich gerade bei Eric, der doch Fremden gegenüber immer
sehr skeptisch eingestellt ist.«
Frank Berry versprach, auch an diesem Wochenende wieder
von London herüberzukommen. Die Filmarbeit ginge zügig voran …
Der Schauspieler hatte noch den Wunsch, ein paar Worte
mit seinem Sohn zu sprechen. Doch Eric war nicht in der Nähe.
Joan Berry lachte: »Er frönt seiner neuen Liebe. Das
Baumhaus ist im Moment passé, jetzt ist Mrs. Moorefield aktuell. In ihrer
Wohnung droben gibt es für Eric bestimmt auch eine ganze Menge Neues zu
entdecken.«
Beim Abendessen stand Erics Mundwerk nicht still.
Er erzählte dauernd von Mrs. Moorefield, von den schönen
Bildern, die es oben in der Wohnung gab und den vielen bunten Büchern, die dort
in den Regalen standen, und die er hatte alle anfassen dürfen.
Und er redete auch von der einmaligen Puppensammlung, die
es in einem Extraraum gab.
»Puppen?« Joan Berry wurde stutzig. Mißtrauen machte sich
bemerkbar. Sie mußte an die Worte ihrer Nachbarin denken.
»Sie sehen aus wie richtige kleine Menschen«, schwärmte
Eric. »Sie sind richtig angezogen. Manche haben ganz alte Kleider an, so wie
man sie früher trug, als noch Ritter lebten.
Andere sind ganz modern gekleidet. So wie wir heute.«
Joan Berry brachte Eric wenig später nachdenklich ins
Bett.
Sie selbst lag noch lange wach, und lauschte auf die
leisen Geräusche, die durch das Haus zogen.
Hin und wieder hörte sie, wenn in eine m Raum über ihr
eine Tür geschlossen wurde, wenn eine Diele knarrte.
Mit gemischten Gefühlen schlief sie schließlich ein, tief
und fest, traumlos.
Am nächsten Morgen …
Gleich nach dem Frühstück verschwand Eric. Das war sie
gewohnt von ihm.
Seit sie hie r lebten, gab es für ihn keine Langeweile
und keine Stubenhockerei mehr.
Aber diesmal war er nicht in den Park gegangen.
Joan Berry stellte das
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