057 - Schreckensmahl
und
Madelaine zusammen. Weit und breit keine Menschenseele. Die Einsamkeit, der
Duft des warmen Waldbodens und die Nähe der schönen Madelaine weckten eine
zunehmende Sehnsucht in ihm. Immer und immer wieder küßten sie sich.
Fester und stärker preßte sie sich an ihn, fühlte er ihr
schlagendes, aufgepeitschtes Herz, spürte die Sinnlichkeit, die von ihr
ausstrahlte. Sie lag neben ihm. Der Rock war fast völlig hochgerutscht, legte
ihre langen, wohlgeformten Beine frei.
»Ich liebe dich«, murmelte Madelaine. »Ja, ich liebe
dich.«
»Ich dich auch«, flüsterte Solkan erregt. Seine Hände
glitten fiebernd über ihre nackten Schultern, streiften die Bluse völlig herab.
Madelaines Lippen berührten seine Stirn, seine Wangen, seinen Nacken.
Seufzend und schwer atmend umschlang sie ihn.
Es wurde spät an diesem Abend.
Sie trafen sich an drei weiteren Abenden. Und jedesmal
wurde es später. Es war, als ob Madelaine ihre alte, kranke Mutter vergäße.
Am achten Tag brach Rolf Solkan in seinem Hotel auf.
Während der letzten Tage hatte er den spleenigen
Engländer nicht mehr gesehen. Und doch hatte der Deutsche das Gefühl, als würde
Cumberland ihn aus sicherer Entfernung wie ein seltenes Objekt studieren.
Solkan packte seinen Koffer und beglich die Rechnung.
Er wollte der Bitte Madelaines entsprechen und das Dorf
verlassen. Madelaine fürchtete noch schlimmere Repressalien.
Die Bauern munkelten bereits über die Liaison zwischen
dem Deutschen und dem Mädchen.
Als Solkan die Pension verlassen wollte, begegnete er dem
Engländer.
»Nanu?« staunte Cumberland. »Sie reisen ab?«
»Ja. Es ist besser für mich und für Madelaine.«
»Ah. Hat Madelaine Ihnen das vorgeschlagen?«
»Von wem der Vorschlag kommt, das ist doch wohl egal,
nicht wahr?«
»Vielleicht«, murmelte Cumberland rätselhaft. Er sah
bleich und übernächtigt aus. »Ähnlich muß es bei George gewesen sein. Auch da
sah es so aus, als wäre er bereits abgereist. –
Wohin fahren Sie eigentlich?«
»In die nächste Großstadt.
Dort kann ich mit Madelaine ungestörter ausgehen.«
Mit diesen Worten wollte er sich von dem Journalisten
verabschieden. Cumberland sah sehr ernst aus. »Dann bleibt mir nichts anderes
übrig, als Ihnen alles Gute zu wünschen.
Ich finde jedenfalls Ihre Abreise – gelinde gesagt –
etwas überstürzt.«
»Dabei hat sie einen logischen Grund.«
»Möglich, möglich. Ich habe jedoch das Gefühl, Sie nicht
lebend wiederzusehen.«
Solkan lachte. »Ich habe Ihnen einen Vorschlag, Mister
Cumberland: heute in einer Woche treffen wir uns hier in der Hotel-Pension.
Einverstanden? Ich werde genauso munter und vergnügt vor Ihnen erscheinen wie
in diesem Moment.«
»Ich nehme Sie beim Wort …«
Als Solkan zur Tankstelle hinüberfuhr, kam Madelaine
sofort aus dem Haus.
»Den Tank ganz voll«, verlangte Solkan. Er lachte. »Sehen
wir uns heute abend, wie abgemacht?« fragte er leise, während Madelaine zur
Zapfsäule ging.
»Ich hatte die Absicht, mit dir zu fahren. Es ist etwas
dazwischen gekommen. Mutter.«
»Geht es ihr schlechter?«
Im Licht der Scheinwerfer musterte er Madelaine. Sie sah
abgespannt und müde aus. Ihre Mundwinkel traten schärfer hervor.
»Ich bin die ganze Nacht nicht zur Ruhe gekommen«, flüsterte
sie. »Ich mache mir Sorgen.«
Er nickte. »Das verstehe ich.« Er nahm ihr Gesicht in
seine Hände, streichelte zärtlich über ihr Haar. Das schwarze, sonst seidig
schimmernde Haar wirkte stumpf und strähnig. Solkan entdeckte eine graue
Strähne und machte Madelaine darauf aufmerksam. »Sorgen wirken sich nachteilig
auf das Aussehen einer Frau aus, Liebes«, meinte er. »Du solltest dich
schonen.«
»Das spricht sich so leicht aus. Der Zustand meiner
Mutter kann sich sehr schnell wieder ändern. Ich hatte vor, dich vorzustellen.
Aber unter diesen Umständen …«
»Dann ein andermal. – Habt ihr einen Arzt
benachrichtigt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Im Nachbardorf gibt es einen
Arzt.
Aber Mutter hat kein Vertrauen zu ihm. Sie verläßt sich
auf ihre Kräuter und Elixiere. – Fahr in die Stadt. Ich werde versuchen, mich
spätestens um neun Uhr freizumachen. Wir treffen uns auf dem alten Platz. Ich
mache, wie üblich, meinen Spaziergang dorthin.«
Von seinem Zimmer aus beobachtete der Engländer die
Abfahrt des weißen Opels. Cumberland nahm das Fernglas von den Augen. Er
verließ den ganzen Abend sein Zimmer nicht mehr. Unentwegt beobachtete er das
kleine Haus. Kurz nach acht
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