057 - Schreckensmahl
auch hier, in diesem Ort – Menschen verschwanden,
junge Männer …«
Solkan nickte. Er lachte jetzt, während er den Rest des
Rotweins in sein Glas schüttete. »Das paßt genau zu dem, was ich vorhin sagte,
Mister Cumberland. Primitives Geschwätz.
Damals, um 1900, war das noch verständlich, aber heute
mit den gleichen Argumenten zu kommen? Also wissen Sie …«
»Dies alles ist kein Zufall! Damals eine Ungarin – heute
wieder eine. Wissen Sie, was man sich noch erzählt? Es heißt, sie seien
Vampire. Aber um den Faden nicht abreißen zu lassen: Die Alte, die sich drüben
im Haus an der Tankstelle verborgen hält, müßte demnach die Junge von damals
sein. Das wäre doch zumindest eine logische Schlußfolgerung, nicht wahr?«
»Ja. Aber auch die ist falsch. Von Madelaine weiß ich,
daß sie mit ihrer Mutter vor etwa fünfzehn Jahren in dieses Dorf kam.«
»Das ist richtig. Woher aber kamen sie? Das weiß niemand.
Man hat allerdings Vermutungen. Sie mieteten das Häuschen
und die Tankstelle von einem alten, kranken Mann. Wie er starb, weiß niemand.
Seit dieser Zeit aber ist das Grundstück drüben das Eigentum der beiden Frauen.
– Merkwürdig ist auch, daß bis zur Stunde noch niemand die Alte gesehen hat.«
»Sie ist krank«, winkte Solkan ab. »Alte Leute verlassen
kaum mehr die Wohnung. Vielleicht ist sie gehbehindert oder bettlägerig. In den
natürlichsten Dingen sieht man in diesem Kuhdorf ein Geheimnis. Besser wäre es,
wenn sich einmal jemand um die alte kranke Dame kümmern würde.« Mit diesen
Worten erhob sich Rolf Solkan. Das Gespräch nahm eine Form an, die er
mißbilligte.
»Am besten ist es, wenn ich jetzt zu Bett gehe. Ich …«
Cumberland fiel ihm ins Wort. »Bevor Sie gehen, noch ein
Wort. Ich wollte Ihnen von meinem Freund George erzählen, erinnern Sie sich?«
»Ja, und?« Solkan reagierte grob. Er war verärgert. Es
bereitete ihm Verdruß, daß ein so kluger und aufgeklärter Mann wie Cumberland
solchen Unfug redete.
»Er lernte Madelaine hier kennen, ich sagte es bereits.
Sie ist sehr schön. Auch ich war fasziniert von ihr. Ich bin es noch heute.
George traf sich jeden Tag mit mir, auch an jenem Abend, als ich das Telegramm
aus London erhielt. Ich wurde wegen einer dringenden Familienangelegenheit
zurückgerufen.
Meine Abreise wurde umgehend verlangt. Ich mußte George
benachrichtigen, der nicht im Hotel war. Ich wußte, daß er mit Madelaine
wegfahren wollte. Niemand befand sich drüben im Haus. Und die Alte öffnete
nicht auf mein Klopfen. In der Pension hinterließ ich auf Georges Zimmer eine
Nachricht.
Dann fuhr ich ab. Seit jenem Tag vor drei Jahren habe ich
von meinem Freund George nichts wieder gehört.
Er war offenbar nicht einmal dazu gekommen, die Nachricht
entgegenzunehmen, die ich hinterlassen habe. Der Wirt schickte sie mir ein paar
Tage später zu. George hatte sein Zimmer nicht wieder aufgesucht. Alle
Nachforschungen nach ihm verliefen im Sande. Madelaine gab zu Protokoll, daß
George an jenem Abend sich von ihr verabschiedet habe. Mehr wisse auch sie
nicht …«
Obwohl er erst nach Mitternacht zu Bett gegangen war,
erwachte er mit Beginn der Dämmerung.
Sein Schädel dröhnte. Der Rotwein war nicht von der
besten Sorte gewesen. Verkatert stellte sich Rolf Solkan unter die Dusche.
Verschwommen erinnerte er sich an das merkwürdige Gespräch, das er vergangene
Nacht mit dem Engländer gehabt hatte.
Nach dem Frühstück ging er sofort zur Tankstelle.
Als er eintraf, war Madelaine beim Fensterputzen. Sein
Herz schlug rascher, als er sie sah. Unter dem schlichten blauen Kittel trug
sie ein duftiges, zitronengelbes Sommerkleid.
Dieses Mädchen verriet mit jeder Bewegung mehr Sex als
der nackte Körper einer anderen.
Leise schlich er sich heran, wollte sie überraschen. Doch
das gelang ihm nicht. Im dunklen Fenster hatte sie sein Spiegelbild gesehen.
Lachend wandte sie sich um. »Das nächste Mal müssen Sie
es geschickter anfangen.« Sie stieg von dem alten Schemel, als er ihr die Hand
reichte.
Ihre Blicke begegneten sich. Sie war schöner,
verführerischer als er sie in Erinnerung hatte. Im hellen Tageslicht sah er
ihre zarte, makellose Haut, die Feinheiten des Mundes und der Augen.
»Die Werkstatt ist vorbereitet. Sie können gleich
anfangen, Monsieur.«
Sie ging ihm voran. Das kurze Kleid zeigte sich unter der
aufspringenden Falte des alten Kittels. Es war äußerst knapp geschnitten.
Minikurz. Die braunen, warmen Schenkel lagen fast völlig
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