057 - Schreckensmahl
dem er jetzt wußte, wie
er hieß, wo er lebte, wie er dachte und arbeitete.
»Möglich – vielleicht auch das«, murmelte Solkan
benommen. Seine Augen waren glasig. Das Blut in seinen Schläfen hämmerte. Der
Alkohol versetzte ihn in eine eigenwillige Stimmung.
»Nicht nur vielleicht«, hörte er da die Stimme
Cumberlands.
»Glauben Sie mir, Mister Solkan; bei meiner Suche nach
okkulten Praktiken und Erscheinungen bin ich auf Dinge gestoßen, die niemand
für möglich hält.«
Die Stimme des Engländers klang geheimnisvoll.
Er sprach von Hexenverfolgung, Schwarzen Messen, von
alten ägyptischen Sekten und Geheimbüchern, die mit Mächten der Finsternis in
Verbindung standen, und deren Existenz noch heute nachzuweisen sei.
»In einer Zeit, wo wir mit Überschallgeschwindigkeit zu
einem anderen Erdteil fliegen, wo es künstliche Satelliten und Mondraketen
gibt, existieren Dinge aus finsterer Vorzeit, über die Sie sich keinen Begriff
machen können, Mister Solkan. Es gehört ein feines Gefühl dazu, diese Dinge
aufzuspüren. Ich glaube, daß ich – nach langer Suche – wieder auf etwas
Ungewöhnliches gestoßen bin. Mein Aufenthalt in diesem Dorf ist kein Zufall.
Ich bin aus einem bestimmten Grund hier. Ich halte mich wegen – Madelaine hier
auf.«
Solkan zuckte zusammen. »Wegen – Madelaine?« Seine Stimme
klang belegt. Geräuschvoll schob er sein Glas über die pockennarbige hölzerne
Tischplatte. »Was hat Madelaine mit Ihrem Bericht über okkulte Erscheinungen zu
tun?«
»Ich weiß es noch nicht«, flüsterte Cumberland. »Aber
irgend etwas geht da drüben in dem kleinen Haus vor. Ich werde noch
dahinterkommen, was es ist.
Jedenfalls ist es etwas Anormales.«
»Anormales?«
»Ja.« Der Engländer musterte ihn. Solkan fühlte die
Blicke wie Nadelstiche, die ihn durchbohren wollten. »Als ich Sie bei Madelaine
stehen sah, da wußte ich sofort eines: Sie sind verloren!«
Der Deutsche lächelte verzerrt. Aber er antwortete nicht.
»Sie wollen Madelaine Wiedersehen, nicht wahr?« bohrte
Cumberland weiter.
»Nun, was ist daran so besonderes? Sie ist jung, hübsch.
Sie gefällt mir.«
Der Engländer nickte. »Genauso war es bei George.«
»George?«
»Das war ein Freund von mir. Vor drei Jahren kamen wir
zum ersten Male in diese Gegend. Ich arbeitete damals schon an meiner
Artikelserie. Im Nachbardorf erfuhr ich von einer Frau, die über Vampirismus zu
berichten wüßte.
Ich suchte diese Frau auf und erfuhr folgendes: In unmittelbarer
Nachbarschaft soll lange Jahre eine Frau gelebt haben, eine Ungarin, die
niemals richtigen Kontakt zu den Einheimischen fand. Niemand wußte eigentlich,
wie sie ausgerechnet in diese Gegend gekommen war.
Ihr ganzes Leben, ihre Vergangenheit war und blieb ein
Geheimnis. Es wurde behauptet, daß sie schuld wäre am Tod einiger junger
Männer. In den vergangenen acht Jahren waren insgesamt vier junge, kräftige
Burschen einfach verschwunden.
Vorher, so wird von vielen Seiten bestätigt, hätte man
sie noch in der Nähe des Wohnhauses der alten Ungarin gesehen, die dort mit
einer ungewöhnlich schönen Tochter wohnte. Die Junge, die Schöne – hätte die
Burschen im Dorf verzaubert, flüsterte man sich zu. Sie waren angetan von der
faszinierenden satanischen Schönheit …«
Solkan lachte. »Hört sich an wie eine Horror-Geschichte.
Man sagt, daß es in dieser Gegend viele Sümpfe gibt. Wie
leicht ist es möglich, daß es da zu einem Unfall kommt. Die primitiven Bauern
aber suchen für jedes Unglück einen Schuldigen. Was lag also näher, als die
unbeliebte Alte und ihre reizende Tochter, die den Dorfweibern sowieso ein Dorn
im Auge gewesen sein muß, zu verteufeln?«
Cumberland ging nicht auf die Bemerkung des Deutschen
ein.
Ungerührt fuhr er fort. »Ich erfuhr diese Dinge, wie
gesagt, von einer fast achtzigjährigen Bäuerin.
Die Vorkommnisse ereigneten sich als sie – die Bäuerin –
selbst noch eine junge Frau von zwanzig Jahren war! Das alles liegt also schon
sechzig Jahre zurück. Ich wurde sofort wieder an diese Dinge erinnert, als ich
vor drei Jahren in dieses Dorf kam, als ich die kleine Tankstelle sah, in der
Madelaine mit ihrer Mutter wohnt. Madelaines Mutter stammt aus Ungarn, Mister
Solkan. Auch die beiden Frauen da drüben werden von den Einheimischen wie die
Pest gemieden. Ich habe selbst gesehen, daß die Bauern einen großen Bogen um
das kleine Haus machen. Man spricht hier nur flüsternd über die beiden Frauen.
Und man erzählt sich, daß
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