0574 - Der chinesische Tod
den Inspektor, starrte ihn an, lachte dabei krächzend auf und bewegte die langen Finger, als versuche er Suko zu erwürgen.
»Was soll das?« Der Inspektor wandte sich an den geschniegelten Geschäftsführer.
»Wieso?«
»Ich möchte eine Erklärung haben. Dieser Zwerg ist nicht normal. Gehört er zu Ihnen?«
»Das geht Sie nichts an.«
»O doch. Mich geht hier einiges an, mein Freund. Ich möchte von Ihnen wissen…«
Da stürzte der Zwerg vor. Suko hatte ihn nicht aus den Augen gelassen, trat zu, erwischte ihn aber nicht voll. Mit seinen langen Fingern konnte sich der Kleine noch an Sukos Hosenbeinen festklammern und ließ sich, als Suko sich drehte, von ihm mitschleifen.
Dann biß er zu.
Zähne hatte Suko nicht gesehen, weil sie hinter dem Geifer verschwunden waren. Sie waren spitz, glichen kleinen Messern, durchdrangen den Stoff und die Haut.
Suko spürte die Bisse in seiner Wade. Für einen Moment schoß eine Flamme durch sein rechtes Bein. Vom Knöchel bis hin zum Oberschenkel schien alles in eine Feuerlohe getaucht zu sein. Suko hörte wieder das Heulen, als ihn der Kleine losließ, zurücksprang und zuschaute, wie es dem Größeren erging.
Suko wollte sich wehren. Er hatte bereits den Fuß angehoben, aber er schaffte den Tritt nicht mehr. Schwer wie Blei war sein Fuß geworden; er zerrte ihn zur Seite. Der Schmerz war ebenfalls nicht abgeflacht. Sein Bein brannte, und als er den Fuß aufsetzte, da knickte Suko um. Ein fürchterlicher Gedanke schoß durch seinen Kopf. Er hatte es nicht geschafft, es war vorbei, er hatte sich einfach zuviel vorgenommen. Die Welt geriet in einen Kreisel, der sich gedankenschnell drehte, sich dabei zusammenzog und Suko von seinem äußeren Rand in die Mitte hineinzog, um ihn dort verschwinden zu lassen.
Er raste in den Boden!
Der Kreisel, das Loch, die Schwärze, die aus ihm hervorstieg und den Inspektor schluckte.
Das alles war einfach furchtbar. Suko kam sich vor wie jemand, der Hilfe brauchte, aber nicht fand. Der Kreisel stieg. Er umfaßte seine Hüften, wanderte an der Brust entlang in die Höhe, um seinen Kopf zu erreichen.
Noch konnte er sehen und erkannte um sich herum diejenigen, die einfach nur zuschauten. Sie standen da, freuten sich, grinsten, lachten und hatten ihren Spaß.
Da war keiner mehr auf seinem Platz geblieben. Sie kamen und schauten. Vergeblich kämpfte der Inspektor gegen den Horror an.
Der Boden gab ihm keinen Halt mehr. Er öffnete sich unter ihm, um ihn zu schlucken. Zuletzt sah Suko das grinsende Gesicht des Messerwerfers, der sich erhoben hatte und schwankend vor ihm stand.
Eine Faust raste auf sein Kinn zu. Den Schlag bekam Suko kaum mit. In seinem Schädel funkte irgend etwas auf, dann kippte er nach hinten und schlug auf den Boden.
Er selbst hatte das Gefühl, in einen tiefen Tunnel zu fallen, der ihn nicht mehr loslassen wollte.
Aus, vorbei…
Wie auf Kommando erhoben sich die Gäste von ihren Plätzen. An der Tür entstand Bewegung.
Wie ein Geist erschien der alte Tiau. Lautlos war er über die Tote hinweggestiegen, blieb vor der Tür stehen, schaute sich um und sah die Blicke der Anwesenden auf sich gerichtet. Dann deutete er auf den Bewußtlosen. »Niemand hat etwas gesehen, niemand hat etwas gehört«, erklärte er gerade so laut, daß jeder seine Worte verstehen konnte. »Wenn ihr gefragt werdet gilt das Schweigegesetz der Sippen. Habt ihr verstanden?«
Sie nickten.
Einer der Messerwerfer hatte eine direkte Frage. »Was werden wir mit ihm machen?«
Tiau überlegte nicht lange. »Osa ist verschwunden, ihre Mutter existiert nur mehr als Tote, also müssen wir uns an ihn wenden.«
»Opfern?«
»Ja.« Tiau lächelte. »Und nicht nur das. Wir werden ihn auch verbrennen, diesen kleinen Schnüffler…«
***
Italien und damit die Begegnung mit dem Henker sowie mit dem Spuk und einem verräterischen Mönch lagen hinter mir. Ein Fall, der sich zu einem brisanten Abenteuer entwickelt und mir wieder einmal bewiesen hatte, daß auch der Spuk noch mitmischte. Oft hielt er sich im Hintergrund auf, aber wenn es nötig war, drängte er sich nach vorn und bewies seine gewaltige Stärke.
Wahrscheinlich lag es am Wetter und am Streß der letzten Tage, daß ich mich des Abends hundemüde fühlte. Ich war einfach kaputt und freute mich auf mein Bett, um endlich fest durchschlafen zu können.
Das schaffte ich auch.
Am nächsten Morgen, nach der Dusche, fühlte ich mich wie neugeboren, bereitete mir pfeifend mein Frühstück zu. Zwei
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