0574 - Der chinesische Tod
Eier mit einer Portion Speck schlug ich in die Pfanne, trank zwei Tassen Kaffee dazu und schaute dabei aus dem Fenster.
Gestern abend waren die Straßen in London noch feucht gewesen.
Das Wetter jedoch hatte sich über Nacht geändert. Zwar sah der Himmel aus, wie mit Bleiplatten übergossen, aber dazwischen und auch hinter dem fahlen Grau schimmerte ein weißer Kreis, die Sonne.
Ich kannte die Vorzeichen. Im Laufe des Vormittags würden die grauen Wolken verschwinden und die Sonne durchlassen, die wieder die unnatürlich warmen Temperaturen brachte, für die dieser komische Winter allmählich berühmt war. So würde er auch in die Geschichte eingehen, da war ich mir sicher.
Ich stellte das Geschirr in die Spüle, nahm die Jacke mit und schellte nebenan bei Suko.
Niemand öffnete.
Das machte mich stutzig. Mit dem Ersatzschlüssel schloß ich auf und betrat eine leere Wohnung. Wo ich auch hinschaute, von Suko entdeckte ich keine Spur.
Weshalb war er verschwunden? Er hätte mir zumindest eine Nachricht hinterlassen können. Im Schlafzimmer fiel mein Blick auf das gemachte Bett. Von Suko keine Spur.
Allmählich wurde ich unruhig, redete mir aber gleichzeitig ein, daß mein Freund, während ich in Italien war, sicherlich einen anderen Fall am Hals hatte und außer Haus ermitteln mußte. Das war bei uns schon mehr als üblich.
Trotzdem gefiel mir die Sache nicht. Den Grund konnte ich selbst nicht sagen. Irgend etwas lag in der Luft, war falsch gelaufen, das merkte ich genau.
Ich verließ das Schlafzimmer wieder und fuhr hinunter in die Tiefgarage.
Dort stand der BMW. Diamantschwarz, glänzend, ein stilles Raubtier auf vier Rädern, Suko neuestes Hobby. Damit war er also nicht unterwegs.
Ich beschloß, mit dem Yard-Rover ins Büro zu fahren und diesmal auf die U-Bahn zu verzichten.
Natürlich geriet ich wieder in den Berufsverkehr, aber er war nicht so schlimm wie an verregneten Tagen, wo sich alles zusammendrängte und oft nichts mehr ging.
Ich kam sogar noch früh an und betrat das Vorzimmer, wo Glenda Perkins soeben ihren Mantel auszog und ihn an die Garderobe hängte.
Als sie herumfuhr und mich sah, verließ ein leiser Schrei ihren Mund.
»Hast du mich erschreckt.«
»Wieso?«
»Du bist so leise gekommen.«
»Das habe ich mir im Kloster angewöhnt.«
»Ach so – ja. Wie ist es denn gelaufen?«
»Ich lebe noch.«
»Aber nur halb – oder?«
»Wieso?«
»Du machst den Eindruck, als wäre dir eine dicke Laus über die Leber gelaufen.«
»Nicht direkt. Es geht mir mehr um Suko. Weißt du eigentlich, wo er sich aufhält?«
»Nein.«
»Dann ist er unterwegs. Ich meine, um einen Fall zu lösen oder so.«
»Was redest du denn da?«
»Er war nicht zu Hause.«
Glenda hob die Schultern, nahm die Kaffeekanne und ging, um frisches Wasser zu holen. »Das kann doch mal passieren, daß jemand über Nacht wegbleibt. Schließlich ist Suko erwachsen.«
»Stimmt. Ich bin trotzdem mißtrauisch.«
Sie ging. Die pinkfarbene Jacke stand ihr gut. Dazu trug sie einen engen Rock in der gleichen Farbe, und in der dunklen Haarpracht steckte ein ebenfalls pinkfarbener Kamm. Glenda war modisch auf dem laufenden. Ich freute mich schon auf den Sommer, wenn sie die neuen Kleidungsstücke präsentierte.
Das Büro am frühen Morgen und ohne Suko kam mir irgendwie verwaist vor. Ich pflanzte mich hinter den Schreibtisch und schob die angesammelten Papiere zur Seite. Er waren in der Regel Meldungen über die Dinge, die sich in London ereignet hatten.
Aus dem Nebenraum hörte ich Glendas Frage. »Ist Suko noch immer nicht da?«
»Nein.«
»Komisch.«
»Finde ich auch.« Die Kaffeemaschine gab ihre spuckenden Geräusche ab, und Glenda erschien in der Tür. »Ich weiß auch nicht, in welch einem Fall er unterwegs ist.«
»Was ist mit Sir James?«
»Er ist noch nicht da.«
»Kommt er später?«
»Kann sein.«
Ich strich durch mein Haar und schaute das Telefon wie hypnotisierend an. Es rührte sich nicht, blieb still und schien mich höhnisch anzugrinsen.
Glenda brachte den Kaffee. Sie hatte sich auch eine Tasse eingeschenkt. Nach den ersten Schlucken und einem scharfen Nachdenken fiel mir etwas ein. »Bevor ich fuhr«, sprach ich mehr zu mir selbst, »da hat Suko etwas von einem Fall erzählt, der einen seiner Vettern betrifft. Du weißt, Glenda, daß die Chinesen sich gegenseitig als Vettern bezeichnen.«
»Ja, das ist klar.«
»Wie ist das denn gelaufen? Hast du nicht gehört, wohin man ihn da geschickt
Weitere Kostenlose Bücher