0576 - Brennendes Blut
jemand anderer…
Oder?
Zweifel wuchsen in ihm, flachten ab, waren wieder da. »John, bist du es?«
»Nein, Horace, ich!« Zusammen mit der Antwort drückte der Sprecher die Zimmertür nach innen, so daß sie bis gegen die Wand prallte und dort zur Ruhe kam.
»Du, James!«
»Ja.«
Es war der Arzt, der seinen langen Wintermantel auszog, nachdem er die Tasche abgestellt hatte. Den Mantel legte er über die Lehne eines Stuhls. »Was ist gewesen, James?«
Der Arzt, ein Mann mit Halbglatze und Brille hob die Schultern.
»Was soll ich dazu sagen? Der Patient hat Glück gehabt. Blinddarmdurchbruch. Ich konnte nicht viel tun, er liegt jetzt im Krankenhaus, hoffe ich.«
»Das ist verdammt mies.«
»Da sagst du was.«
»Bei dem Wetter kommt kaum jemand durch.« Horace nickte.
»Und zu den Dingen, die hier passiert sind, sagst du nichts, James?«
Der Arzt stellte seine Tasche auf den Stuhl. »Von welchen Dingen redest du?«
Sinclair lachte. »Hast du oben im Flur nicht das Blut gesehen. All das Grauen.«
»Welches Blut?«
»James, jetzt tu mir aber kein Leid an. Da oben muß es schrecklich aussehen.«
»Woher weißt du das? Hast du nachgeschaut?«
»Nein.«
Der Doc lächelte süffisant. »Na bitte.«
»Ich habe es von meinem Sohn, von John.«
Hinter den Brillengläsern verengten sich die Augen des Arztes.
»John war hier?«
»Ja, hier im Raum.« Sinclair schlug mit der flachen Hand auf die Bettdecke. »Und er hat es geschafft, mein Leben zu retten, da mich ein Vampir angefallen hat.«
»Was?« James schlug gegen seine Stirn. »Ein Vampir in meinem Haus, Horace?«
»Genau.«
»Aber das ist doch unmöglich. Das kann ich mir nicht vorstellen, verdammt noch mal!«
»Tut mir leid, aber es entspricht den Tatsachen. Ich phantasiere nicht, James.«
»Was ist denn mit dem Vampir geschehen?«
»Kannst du dir das nicht denken? John hat ihn erledigt. Geh in den Flur, schau nach links, da siehst du noch die Asche.«
»Das mache ich auch.«
Der Arzt verschwand und gab Horace F. Sinclair Gelegenheit, um über gewisse Dinge nachzudenken. Der Arzt kam ihm sehr verändert vor. Bei manchen Gesten und Antworten hatte er gewirkt wie ein schlechter Schauspieler. Man glaubte ihm einfach nicht. Er hatte zu übertrieben reagiert, zu bombastisch.
Was war mit ihm geschehen? Auch glaubte Sinclair seinem Sohn mehr als dem Doc. James hätte das Blut einfach sehen müssen und auch die Leiche seiner Helferin.
Außerdem hatte er John mit keinem Wort erwähnt. Hätten sich die beiden nicht treffen müssen?
Allmählich bekam Horace F. Sinclair ein bedrückendes Gefühl.
Plötzlich lag die Schlinge unsichtbar um seinem Hals, war aber noch nicht zugezogen.
Keine Spur, von John und das ungewöhnliche Benehmen des Arztes. Es wies alles auf eine Falle hin.
Er hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, als der Doc zurückkehrte. Neben dem Bett blieb er stehen und spielte mit dem Verschluß seiner Arzttasche.
»Habe ich dich angelogen, James?«
»Nein, das hast du nicht. Im… im Flur liegt tatsächlich die Asche des Vampirs.«
Scharf schaute Horace F. Sinclair den Mann an. »Weshalb hast du das so komisch gesagt?«
»Habe ich das?«
»Ja, mir kam es vor, als würdest du dabei stottern. Außerdem bist du rot im Gesicht geworden. James, verdammt, sag mir, was wird hier gespielt?«
Der Blick des Arztes glitt ins Leere. »Nichts, Horace, nichts, was dich beunruhigen könnte.«
»Das bin ich schon längst, James.«
Der Arzt nickte. »Ich weiß, mein Freund, das sehe ich dir an. Du bist innerlich aufgewühlt. Deshalb werde ich dir auch eine Spritze geben, damit sich dein Zustand ändert.« Die letzten Worte betonte er besonders stark.
»Das will ich nicht.«
»Doch, Horace, doch.«
Der Arzt klappte seine Tasche auf. Sinclair gefiel das überhaupt nicht. Nicht heftig, eher vorsichtig schwang er die Decke zurück, um aufs Bett zu steigen.
Der Windzug streifte den Nacken des Arztes. Blitzschnell drehte sich James um.
Er stieß seinen linken Arm vor, erwischte Horace F. Sinclair an der Schulter und drückte ihn wieder zurück.
»Du bleibst liegen!«
Sinclair starrte ihn an. »Sag mal, bist du verrückt geworden, James? Das ist doch.«
»Ich geb dir jetzt die Spritze!«
»Nein, zum Henker!« Sinclair zeigte sich störrisch. »Ich will endlich wissen, was los ist!«
Der Arzt fuhr herum. Die Spritze hatte schon vorbereitet in der Tasche gelegen. Nun hielt er sie in der Hand, und Sinclair konnte das »Serum« sehen. Es war
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