0576 - Brennendes Blut
rot wie Blut!
Und er wunderte sich über die Kraft des Arztes, dessen Handfläche wie festgewachsen auf seinem Körper lag. Ein hartes, böses Grinsen zeichnete die Lippen des Mannes.
»Ich muß sie dir geben, ich werde sie dir geben. Man hat mich gezwungen! Mein Leben ist mir wichtiger, verstehst du?«
»Nein, James, ich verstehe nichts. Tut mir leid. Welches Leben? Was hat man mit dir gemacht? Was befindet sich in der Spritze?«
»Ich war bei ihm.«
»Wo warst du?«
»Er heißt Will Mallmann!«
Ein heißer Schreck durchtoste Sinclair. »Dann… dann hast du auch Mary gesehen.«
»Nein!« flüsterte der Arzt. »Ich habe sie nur gehört.«
»Wie…?«
»Sie hat gestöhnt!« raunte er. »Sie hat so schrecklich gestöhnt. Ich weiß nicht, ob es ihr gutgeht, und in dieser Spritze befindet sich etwas, das mir Will Mallmann mitgegeben hat. Blut, Horace. Das alte Blut, begreifst du?«
Er begriff alles und nichts. In seinem Schädel herrschte ein schreckliches Durcheinander.
Sinclair schaute dem Arzt in die Augen. Und er sah auch die verdammte Spritze, in der sich das Blut befand. Doch er dachte an seine Frau. Er wollte wissen, wie es ihr ging, was mit ihr los war. »Sie… sie hat gestöhnt.«
»Ja…«
»Wo denn, wo ist sie?«
»Nicht weit.«
»Verdammt, ich will…«
»Ich weiß, Horace, daß du zu ihr willst. Das verstehe ich, Mallmann ebenfalls. Du kannst auch zu ihr, wir haben nichts dagegen. Erst jedoch werde ich dich spritzen.«
Sinclair bewegte den Mund, ohne etwas zu sagen. Er hing an Mary, er wollte sie sehen. »Werde ich zum Vampir, wenn du mir das alte Blut gespritzt hast?«
»Kann sein.«
Sinclair holte tief Luft. Gleichzeitig erschlaffte er unter dem Druck der Hand.
James war zufrieden. Er lächelte ruhig. »Es ist gut, wenn du dich nicht wehrst. Ich will nicht, daß sie abbricht und in deiner Vene steckenbleibt. Das verstehst du doch?«
»Ja, ich begreife alles.«
»Es tut nicht weh, Horace. Es ist, so glaube ich, einfach wunderbar. Du wirst danach das Gefühl haben, schweben zu können. Du entschwebst, du verläßt dein Leben, du drehst dieser Welt den Rücken zu. Ein anderes Leben wartet auf dich.« Sinclair hatte die Gegenwehr aufgegeben. Er wollte James in Sicherheit wiegen. »Wo wirst du mir die Spritze hinstechen?« fragte er leise. »In den Arm?«
»Nein, wir können auch den Hals nehmen.« Der Blick des Arztes schweifte ab.
Darauf hatte Sinclair gewartet. Plötzlich stieß er den Kopf vor. Obwohl er selbst noch immer nicht in Ordnung war, mußte er einfach zu diesem Mittel greifen.
Die beiden Stirnen krachten zusammen. Horace hörte einen Schrei.
Vor seinen Augen sprühten und tanzten Funken, und dahinter sah er die Gestalt des Arztes. Der Doc hatte die Arme hochgerissen und warf sich zurück. Er fiel vom Bett und riß noch den Stuhl mit der Tasche um.
Horace F. Sinclair wußte, daß er nur eine Chance hatte, wenn er aus dem Bett herauskam.
Er rollte sich nach rechts. In seinem Kopf tobte eine wahre Hölle.
Fast blind stieg er in seine Schuhe. Die Jacke des Schlafanzuges stand offen. Die beiden Schöße wehten zur Seite, als sich Sinclair auf unsicheren Füßen in Richtung Tür bewegte.
In seinem Rücken hörte er das Keuchen des Docs und auch dessen Stimme. »Ich kriege dich noch, verdammt! Wir alle kriegen dich…«
Sinclair kümmerte sich nicht darum. Mit den Haaren streifte er an der Türkante entlang. Er kannte sich im Haus aus, mußte, wenn er das Zimmer verlassen hatte, nach rechts, wo die Treppe nach oben führte. Raus aus dieser Rattenfalle, nur raus. Wichtig für ihn war, daß er ins Freie gelangte.
John, Mary, Will Mallmann!
Diese drei Namen zuckten durch sein Gehirn, als er mit zitternder Hand nach dem Geländer tastete und sich daran hochzog.
Sinclair drehte sich nicht um. Hinter sich aber hörte er den Doc, der ihn nicht entwischen lassen wollte.
»Wir kriegen dich! Wir kriegen dich!«
Der Anwalt schaffte die ersten fünf Stufen. Als er seinen Fuß auf die sechste stellte und den Kopf dabei anhob, weil er die Treppe hinaufschauen wollte, sah er sie stehen.
Vier Stufen vor ihm hatte sie sich aufgebaut, und Fatima grinste ihn mit ihrem Vampirgebiß an…
***
Horace F. Sinclair erstarrte. Er hatte das Gefühl, auf der Treppe festzufrieren.
Gleichzeitig drehten sich die Stufen vor seinen Augen, und sie zerrten die Gestalt der Blutsaugerin in diesen wahnsinnigen Taumel mit hinein. Sie stand dort wie eine blutlüsterne Rachegöttin. Breit und mit vom
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