0576 - Brennendes Blut
Körper abgespreizten Armen. Allein diese Haltung dokumentierte, daß sie keinen Menschen vorbeilassen würde.
Sie wollte Sinclairs Blut…
Der Mann konnte sich nicht mehr bewegen. Selbst seine Hand schien mit dem Geländer verleimt zu sein. Die Lippen zitterten, Angst stahl sich in seinen Blick. Im Kopf tobten die Schmerzen, die jedoch von dem Wissen, es nicht mehr schaffen zu können, überdeckt wurden.
Hinter ihm lachte James.
»Das ist dein Ende, Horace! Du hättest mich ruhig spritzen lassen sollen. Du hast es nicht getan. Den Grund kenne ich nicht, aber es ist Pech gewesen.«
»Hör auf, verdammt, hör auf!«
»Nein, Horace, es fängt an. Ich werde zuschauen, wie sie dir das Blut abzapft.«
»Mein Sohn – John…«
In seine Worte hinein schallte das harte Lachen des Docs. »Was willst du mit ihm, Horace. Er kann dir nicht helfen. Ich habe ihn ausgeschaltet. Wie ein Blinder ist er in meine Falle gelaufen. Nein, mit ihm brauchst du nicht zu rechnen.«
Horace F. Sinclair wollte es nicht wahr haben. Er rief den Namen seines Sohnes.
***
»Johhnnnn…!«
War es Täuschung oder echt? Ich glaubte, aus unergründlichen Tiefen einen Schrei vernommen zu haben. Jemand wollte etwas von mir, jemand rief nach mir.
Dann war die Sperre da, die meinen Kopf zu einem dumpfen Gebilde gemacht hatte.
Ich wollte mich erheben, ich gab mir selbst einen innerlichen Stoß, hatte längst bemerkt, daß ich auf dem Boden lag, aber ich kam nicht mehr hoch.
Zwar versuchte ich es, doch es ging nichts. Ich sackte wieder zusammen, blieb liegen und geriet wieder in den schlimmen, dumpfen Zustand zwischen Bewußtlosigkeit und Wachsein…
***
Die Stimme erstickte. Horace F. Sinclair konnte nicht mehr. Als er nach Luft schnappte, entstand ein saugendes Geräusch. Ein Echo hatte er nicht bekommen, nicht von John.
Dafür meldete sich der Arzt. »Ich sagte dir doch, Horace, die Chancen sind gering. Nein, noch niedriger. Du hast überhaupt keine mehr, mein Freund.«
Das Geländer befand sich an der rechten Seite, wo die Treppe mit der Wand abschloß. Sinclair spürte das Zittern in seinen Knien, die ständig weicher wurden. Irgendeine Kraft trieb ihn nach rechts. Er konnte sich nicht mehr halten, er hätte sich auch nicht mehr hochziehen können, die Stufenkanten addierten sich zu unüberwindlichen Hindernissen, und die Gestalt der Blutsaugerin auf der Treppe verschwamm vor seinen Augen, sie wurde zu einem Gespenst.
Er fiel über das Geländer…
Seine Handfläche rutschte dabei höher. Der Schweiß hatte sie glatt gemacht, so daß eine nasse Spur auf dem Metall zurückblieb. Auch den Kopf konnte Sinclair nicht mehr oben halten. Er sank ebenfalls dem Geländer entgegen. Das kalte Metall berührte sein Kinn. Er spürte sein Herz jagen, und die Angst in ihm wuchs noch stärker, ebenso wie der große Taumel.
Die weibliche Untote setzte sich in Bewegung. Sie wollte ihn, sie wollte sein Blut.
Zwei Stufen hinter Sinclair war der Arzt stehengeblieben. Er hielt die rechte Hand hoch. Über seine Haut rann Blut in langen Fäden.
Beim Fall war die Spritze zerbrochen, das alte Blut hatte sich auf der Hand verteilt.
»Ja, beiß zu. Ich will, daß du zubeißt. Ich will meine Frau retten. Los, beiß zu!«
Noch eine Stufe, dann keine mehr!
Fatima leckte sich die Lippen. Ihre Zunge sah grau aus wie ein alter Lappen, als sie aus dem Mund hervorsprang. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck angenommen, der kaum beschreibbar war. Die Haut schimmerte in einem kalt wirkenden Blaugrau, der Mund stach kaum davon ab, nur die Augen wirkten wie düstere kleine Teiche.
Mit beiden Händen griff sie zu. Trotz ihrer Brandverletzung schaffte sie es, den Körper des Mannes in die Höhe zu reißen. Horace F. Sinclair wehrte sich nicht mehr.
Er hing in ihren Armen, kraftlos, leergepumpt, ohne einen Funken Energie.
Man hatte ihn fertiggemacht.
Und sie legte sich den Mann zurecht. Den Kopf drehte sie so zur Seite, daß sich die Haut am Hals des Mannes spannen konnte. Sie hatte ihre jugendliche Straffheit längst verloren, aber die Adern darunter konnte sie noch deutlich erkennen.
Mehr wollte sie auch nicht…
Fatima senkte ihren Kopf. Dabei drang ein fauchendes Geräusch über die blassen Lippen.
Noch wenige Millimeter, dann konnte sie die Zähne in den Hals des Mannes schlagen.
Da genau passierte es.
Weil sie sich ihrer Sache sehr sicher war, hatte sie nicht zurückgeschaut, und auch der Arzt war von diesem fürchterlichen Vorgang so fasziniert worden, daß
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