0578 - Im Labyrinth der Toten
See.
Zuerst wurde der Grund tiefer und tiefer, dann stieg er allmählich wieder an. Doch statt des erwarteten Sandbodens fand Alaska bei seinen Tauchmanövern muschelbesetzte Felsenriffe vor - und plötzlich schwamm er in einem tiefen Einschnitt.
Abermals tauchte der Transmittergeschädigte auf.
Ungefähr siebzig Meter hinter ihm schwebte der Kegel auf der Stelle.
Im nächsten Augenblick schlug ein Protonenstrahl wenige Meter neben Saedelaere ein. Das Wasser kochte; eine Dampfwolke breitete sich aus.
Alaska holte tief Luft und tauchte weg. Ribald Corellos letzte Handlung hatte ihm klargemacht, daß der Supermutant unberechenbar geworden war. Saedelaere mußte damit rechnen, daß der nächste Schuß traf, sobald er wieder auftauchte.
In dieser Situation klammerte sich Alaska Saedelaere an die Hoffnung, einen Ausweg zu finden - und der Einschnitt im Fels war, bildlich gesagt, der Haken, an dem er seine Hoffnung aufhängte.
Hier unten hatte sich Klippentang angesiedelt. Eine Blaukrabbe machte sich an der Eischnur einer Wellhornschnecke zu schaffen. Ein junger Schwertschwanz huschte über den gelblichen Sand am Grund der Vertiefung.
Und plötzlich fiel kein Licht mehr von oben herein, lediglich etwas Streulicht von hinten. Undeutlich nur vermochte Alaska die Umgebung zu erkennen.
Er zwang sich zur Ruhe, um seinen Sauerstoffvorrat nicht frühzeitig zu verbrauchen. Unbeirrt schwamm er weiter - und als er glaubte, seine Lungen müßten jeden Augenblick bersten, stieß sein Kopf durch die Wasseroberfläche.
Wie ein Ertrinkender sog Saedelaere Luft in seine Lungen. Vor seinen Augen flimmerten rote Kreise. Nach einer Weile beruhigte er sich Behutsam schwamm er umher, entdeckte ein felsiges Ufer, eine schräg ansteigende Felswand, und zog sich hinauf.
Er war gerettet - vorläufig wenigstens. Hier konnte er einige Zeit warten, aber nicht bleiben. Vielleicht gab es einen Weg hinaus, der nicht ins Meer führte, über dem Corello lauerte. Alaska vermochte in der Finsternis nichts zu erkennen.
Er nahm sich vor, noch fünf Minuten zu warten und dann die Umgebung tastend zu erkunden.
3.
Dalaimoc Rorvic stieg in der elften submarinen Etage auf das zu den Meeresfarmen führende Transportband um. Bald wurden alle Wände des Korridors durchsichtig, und der Korridor selbst verwandelte sich in einen hohlen Unterwasserkai, einen „gläsernen" Finger, der sich horizontal ins Meer erstreckte.
Der Tibeter erblickte zur Rechten die zellenartigen Abteilungen eines Großlabors, in dem in zahllosen Glasbehältern Algenkulturen der verschiedensten Arten gezüchtet, studiert und im Hinblick auf ihre Produktion in großem Maßstab getestet wurden.
In anderen transparenten Röhren beförderten Transportbänder große Mengen blausilbern glitzernder Milchfische in die Container-Anlage, die sich in einer Felshöhle befand. Aus einem durchlöcherten Rüttelband an der Röhrendecke fielen unablässig Eisstücke auf die Fische.
Ein Stück weiter draußen sah Rorvic zahlreiche Ansatzkörper für Austern im Wasser hängen. Sie waren an Flößen verankert, und ein Teil von ihnen war recht gut mit Austern besetzt.
Dalaimoc sah eine Frau auf dem festen Gehweg neben den gegenläufigen Transportbändern stehen. Sie trug einen orangefarbenen Taucheranzug mit weißen Leuchtstreifen, einem Lebenserhaltungstornister und einem gelben Plastikhelm.
Er sprang neben ihr vom Band und sagte: „Hallo, schönes Kind!"
Sie drehte sich um, einen Ausdruck des Unwillens auf dem Gesicht. Doch dann lächelte sie.
„Hallo, Bruder des vollen Mondes!"
Sonderoffizier Rorvic blickte in ein rötlichbraunes schmales Gesicht, in goldfarbene Augen und auf rabenschwarzes Haar.
Die gebogene Nase schien auf indianische Abstammung hinzudeuten.
Er verneigte sich, was angesichts seiner enormen Körperfülle auf ein schwaches Neigen des Kopfes hinauslief.
„Mein Name ist Rorvic, Dalaimoc für meine Freunde."
„Und ich bin Alexandra Bluebird, Faunameisterin der Meeresfarmen von Vahoe."
„Faunameisterin?" fragte Rorvic verwundert. „Ich kannte den Enkel eines Faunameisters, der sich sehr plötzlich aus dem Staub machte. Hinterher stellte sich heraus, daß er den Cynos das zauberkräftige Tabora geklaut hatte."
„Tatsächlich?" Alexandra Bluebird strahlte. „Wie heißt denn dieser Teufelskerl?"
„Patulli Lokoshan, Miß Bluebird. Ich bin froh, daß der kamashitische Wunderzwerg nach Hause gegangen ist.
Meinetwegen hätte er sogar den Erdmond mitnehmen
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