058 - Der Duft von Sandelholz
„Lily!"
Als sie weiterlief, erkannte sie nach und nach die Umrisse des Käfigs. Zorn erfasste sie über Lundys Maßnahmen. Sie war fest entschlossen, bis zu ihm vorzudringen.
Sie sah eine Bewegung durch den Rauch vor ihr, nahe am Boden. Mit jedem Schritt wurde das Bild deutlicher. Er hatte mit seinen Versuchen, die Käfigtür aufzubrechen, aufgehört und kauerte nun am Boden, um etwas von der besseren Luft dort unten einzuatmen.
„Lily!" Als sie auf ihn zurannte, richtete er sich in dem zu niedrigen Käfig auf, so gut er es vermochte.
Er schien erschrocken, sie zu sehen. „Was machst du hier?"
„Dich retten!"
„Du musst hier aus!"
„Nicht ohne dich."
„Es ist zu gefährlich. Pass auf - das Gitter ist heiß", warnte er, als sie die Hände nach ihm ausstreckte. Sein Gesicht war schweißbedeckt, die Augen rotgerändert. „Sieh nach oben, Lily, die Decke brennt. Jeden Moment kann das Dach einstürzen. Ich will, dass du diesen Ort verlässt. Auf der Stelle."
Sie achtete nicht auf ihn und sah sich um. „Ich vermute, sie haben den Schlüssel nicht hier gelassen."
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Liebes", sagte er leise. Sie hielt inne. Es erstaunte sie, wie ruhig er war. Derek schluckte. „Es kann sein, dass ich keine Möglichkeit habe, hier herauszukommen. Du musst gehen."
„Nein", stieß sie kopfschüttelnd hervor. „Nein."
„Bitte." Vorsichtig streckte er einen Arm durch das Gitter und berührte ihre Hand.
„Rette dich selbst ..."
„Nein!", wiederholte sie energischer. „Ich werde dich hier herausbringen. Ich werde dir beweisen, dass ich dich nicht in diesen Hinterhalt gelockt habe, um dich zu verraten."
„Das hatte ich auch niemals geglaubt. Ich wusste, dass es nicht deine Schuld war."
„Du wusstest es?"
„Von Anfang an. Jetzt hör mir zu, du musst gehen."
„Ich werde dich nicht verlassen ..."
„Lily", flüsterte er und sah sie an. „Ich liebe dich."
Sie holte tief Luft und sah ihn erstaunt an. „Derek." Tränen traten ihr in die Augen.
Behutsam schob sie ihre Hand durch das Gitter und berührte seine. „Ich liebe dich auch."
Neuer Mut erfasste sie. Bei Gott, sie würde den Mann, den sie liebte, nicht sterben lassen. Nicht solange sie atmete - vor allem nicht auf diese Art und Weise. Es war zu ungerecht. Er hatte nicht so viele Schlachten überlebt, um hier wie ein gefangenes Tier zu sterben.
„Ich werde nicht zulassen, dass dir das geschieht." Sie stieß ihre Worte so heftig hervor, dass er sie erschrocken anblickte.
Sie presste die Zähne zusammen, trat von ihm zurück und lief in den Rauch hinein.
„Lily,pass auf!"
Bei seinem warnenden Ruf schaute sie nach oben und bemerkte den brennenden Dachbalken über ihrem Kopf. Sie sprang zur Seite, gerade in dem Moment, wo er herunterfiel.
„Geht es dir gut?", fragte Derek mit zitternder Stimme.
Mit klopfendem Herzen nickte Lily. Sie wusste, sie musste sich rasch etwas einfallen lassen. Der Stall um sie herum brach unter der Feuersbrunst zusammen. Ihnen lief die Zeit davon. „Arbeite weiter an der Tür, ja?"
„Ich bin nicht sicher, ob das Sinn hat." Als sie zu ihm hinüberblickte, sah Derek ihr in die Augen. „Bitte ..."
„Sag mir nicht, dass ich gehen soll. Was immer geschieht", gelobte sie, „ich werde dich nicht verlassen."
Sie wusste, wie es war, wenn einen jemand, den man am meisten brauchte, im Stich ließ. Mit diesem Gedanken lief sie zurück in die Rauchwolke.
Kurz darauf kehrte sie mit einer Schaufel wieder, die sie zwischen den Trümmern gefunden hatte.
„Gut!", rief Derek hustend und winkte ihr. „Gib sie mir, und dann verlass verdammt noch mal den Stall!"
Lily hastete zur Käfigtür und sah ihn nur an. „Geh beiseite."
„Lily!"
Krach!
„Himmel", murmelte Derek und trat zurück.
Mit aller Kraft schlug sie die Schaufel gegen die Käfigtür.
Die bewegte sich, aber das Schloss hielt.
Sie hieb noch einmal dagegen.
Derek sah ihr mit finsterer Miene zu. Er widersprach nicht mehr. Vielleicht war ihm klar geworden, dass er in seinem engen Raum ohnehin nicht ausreichend ausholen konnte, um die Tür mit Wucht zu treffen. Aber vermutlich betete er genauso stumm wie sie.
Wieder und wieder schlug Lily gegen das Schloss - fester, schneller, wütender. Aber es hielt stand. Schließlich stieß sie einen lauten Wutschrei aus und noch einmal all ihre Kraft, die ihr noch zur Verfügung stand.
Quietschend gaben die eisernen Angeln nach.
Sie warf die Schaufel zur Seite, Derek stieß die Tür mit dem Fuß
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