058 - Der Duft von Sandelholz
sich zuvor geschämt hatte, empfand sie nun Bedauern. Aber Dereks Nähe tröstete sie.
„Er fand es amüsant, dass ich im Baum ein Buch las, und begann, mit mir zu plaudern." Sie schüttelte den Kopf. „Ich war zuvor noch nie außerhalb meines Dorfes gewesen. Was wusste ich von Londoner Frauenhelden und ihrem Charme?"
„Kein Wunder, dass du ihresgleichen verachtest."
„Er sagte, ich wäre hübsch. Und er kam zu mir auf den Baum."
„Wie eine Schlange", murmelte er.
„Ja. Er fragte mich nach meinem Buch, und dann wollte er alles über mich wissen."
„Ich werde ihn umbringen", erklärte Derek.
„Oh Derek, er war gerissen, aber ich war diejenige, die dumm und naiv war."
„Du warst ein kleines Mädchen. Du machst dir doch keine Vorwürfe?"
„Natürlich, und das muss ich auch."
„Ich höre wohl nicht recht."
Sie sah ihn an. „Ich ließ zu, dass er das tat. Nicht nur einmal, sondern zweimal, ehe meine Mutter es erfuhr."
„Hast du überhaupt verstanden, was er da tat?"
Sie sah ihn nur an. „Nein. Aber wenn es nicht meine Schuld war, warum hat meine Mutter mich dann so angeschrien und damit gedroht, mich hinauszuwerfen?"
„Oh Liebste", flüsterte er und trat näher. „Ich verstehe, warum dein Großvater dir Balfour Manor hinterließ." Er schüttelte den Kopf. „Lily, deine Mutter hat sich falsch verhalten. Du darfst ihr nicht glauben." Nachdenklich kniff er die Augen zusammen. „Männer wie ihn habe ich schon häufig getroffen. Ich bin mit ihnen zur Schule gegangen, und ich habe mit ihnen gedient. Wer immer er war, er hat dich ausgewählt, weil dein Vater nicht da war, um dich zu beschützen."
„Nein." Sie zuckte zusammen und wandte sich ab, als hätte er sie geschlagen. „Bitte sag das nicht, Derek."
„Warum? Es stimmt, und ich glaube, das weißt du."
„Du kannst meinem Vater keine Vorwürfe machen, es war meine Schuld", rief sie.
„Nein." Er sah ihr in die Augen. „Es ist die Schuld dieses Mannes, und die deiner Eltern."
Sie schüttelte den Kopf. „Du warst unschuldig", fuhr er sanft fort. „Du warst ein junges Mädchen. Ich weiß, wie beängstigend es sein muss, das zu erkennen. Dass es draußen in der Welt böse Menschen gibt, Menschen ohne Gewissen, die so etwas tun. Und das Opfer von jemandem zu sein, gegen den du machtlos bist, das ist entsetzlich."
Lily weinte leise, und er wischte ihr die Tränen ab.
„Aber jetzt hast du mich", sagte Derek zu ihr mit festerer Stimme. „Und wenn dir jemals wieder jemand wehtun will, dann muss er erst an mir vorbei."
Zitternd sah Lily zu ihm auf. So gern würde sie ihm glauben. „Du würdest die halbe Welt für mich umbringen, was?"
„Wenn sie dich quält, ja."
„Mein Krieger."
„Eigentlich interessiert mich jetzt eine andere Laufbahn." Er umfasste ihre Wange.
„Ja?", fragte sie scheu. „In welchem Bereich?"
„Hier wäre in Ordnung", sagte er und sah sich auf der mondbeschienen Wiese um, die sie umgab. „Wo immer ich in deiner Nähe bin."
Sie trat ein Stück zurück und sah ihn unsicher an. „Ich dachte, du kehrst nach Indien zurück."
„Pläne geändert."
„Seit wann?"
„Seit eben."
„Meinst du das ernst?"
„Sehe ich aus, als würde ich scherzen?"
Ihr Herz schlug schneller. „Vielleicht solltest du darüber nachdenken. Nimm dir ein oder zwei Tage Zeit ..."
„Was gibt es da nachzudenken? Hast du innegehalten und nachgedacht, ehe du in den Stall gelaufen kamst, um mir das Leben zu retten? Oder als du deinen kostbarsten Besitz aufgabst, um mich vor Newgate zu bewahren? Nein, Lily. Meine Entscheidung steht fest. Ich mag kein reicher Mann sein, aber alles, was ich habe, gehört dir. Und wenn ich selbst den Hammer in die Hand nehmen muss, um dein verdammtes Dach zu reparieren, dann werde ich das tun. Ich bin dein ..." Er neigte den Kopf. „Wenn du mich willst."
Sie sah ihn erstaunt an. „Willst du damit sagen ..."
„Heirate mich. Ich weiß, wir können es schaffen, solange wir zusammen sind."
„Oh Derek!" Sie warf sich ihm in die Arme und zog ihn zu sich hinunter, um ihn vor Freude zu küssen. „Ich liebe dich."
„Ich liebe dich, Lily." Er schlang die Arme um ihre Taille und hob sie ein wenig hoch.
„Ich danke dir für dein Vertrauen."
„Danke, dass du es verdienst." Sie küsste ihn noch einmal. „Du schmeckst nach Rauch."
„Du schmeckst nach geräuchertem Schinken."
„Abscheulich."
„Es ist mir egal." Er lachte. „Küss mich einfach."
Sie tat es.
„Weißt du", meinte er dann, „was
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