058 - Der Duft von Sandelholz
ein erschöpft wirkendes Dienstmädchen. Er gab ihnen allen zwanzig Sovereigns, was ihre ausstehenden Löhne einschloss und reichlich Extrageld für ihre Treue. Sie wären beinahe in Tränen ausgebrochen.
Lily schlug er vor, einen Rundgang über das Gelände zu machen und anschließend in das Dorf zu gehen, nach der langen Fahrt mit der Kutsche würde ihnen das guttun.
Sie beeilte sich zuzustimmen, vermutlich war sie nicht gerade versessen darauf, dass er so schnell das Innere des Hauses sah.
Er fürchtete sich davor, doch es gab noch genügend Zeit, sich alles gründlich anzusehen. Bald würde er herausgefunden haben, womit genau er es zu tun hatte.
Sehr ermutigend war es nicht, falls der Stall einen Eindruck von dem gab, was ihn erwartete. Der baufällige Schuppen war kaum angemessen für eine Ziege, aber Mary Nonesuch und der schwarze Hengst akzeptierten diesen Verstoß gegen ihre Würde ohne jede Klage.
Tante Daisy und Cousine Pamela, die von Dereks Besuch beim Verleger John Murray noch nichts wusste, begleiteten Lily und Derek durch die beiden kleinen Straßen, um die sich ihr Dorf bildete. An der Kirche blieben sie stehen, wo sie dem Grab des Großvaters ihre Ehrerbietung erwiesen. Lily zeigte ihrem Mann auch die Grabstätte ihres Vaters, sagte aber, sein Leichnam sei in Indien bestattet worden.
Inzwischen war Tante Daisy zu einem anderen Stein getreten. Derek ging zu ihr hin und fragte sich, warum sie wohl Tränen in den Augen hatte. Dann las er, was auf dem Stein stand: „Davy Balfour, 1796-1816. Geliebter Sohn." Der Junge war kaum zwanzig gewesen, als er starb.
Derek legte einen Arm um Tante Daisys rundliche Schultern und küsste ihren Scheitel.
„Es tut mir so leid", sagte er leise. Kein Wunder, dass sie stets so außer sich war.
Allmählich gelangte er zu der Überzeugung, dass all diese Damen Balfour der Rettung bedurften.
„Mein kleiner Junge." Tante Daisy lehnte sich an seine Schulter und schniefte leise.
„Du und Lily, ihr werdet doch ganz viele Söhne bekommen, nicht wahr?"
„Ich versichere dir, meine Liebe, wir arbeiten bereits sehr entschlossen daran."
Tante Daisy lachte über seinen feierlichen Tonfall und gab ihm einen Klaps, den er verdiente. Aber nachdem er wieder ein
kleines Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert hatte, führte er die Damen zurück.
Lily sah ihn dankbar und liebevoll an.
Seine ruhige Haltung veränderte sich nicht, obwohl das Innere des Hauses sich als genauso dunkel und unfreundlich erwies, wie er es erwartet hatte.
Während der folgenden vierzehn Tage versuchte Derek zu erfassen, welche Renovierungen erforderlich waren. Er untersuchte Balfour Manor von seinem feuchten Keller bis zu dem von Fledermäusen heimgesuchten Trakt, von den eingesunkenen Fundamenten bis zu dem durchlöcherten Dach und den faulenden Balken. Der bröckelnde Mörtel aller zwanzig Kamine musste ersetzt werden. In einigen davon waren bereits die Steine eingesunken. Wasserschäden hatten Flecken verursacht und den Stuck im oberen Stockwerk verzogen, wo alle ihre Schlafräume hatten. Kein Wunder, dass die arme Pamela ständig nieste, bei all dieser Feuchtigkeit.
Moderne sanitäre Anlagen und Leitungen für die Küche würden eingebaut werden müssen, um das Haus bewohnbar zu machen. Der Stall und die Außengebäude mussten ebenfalls dringend erneuert werden.
Landwirtschaftliche Verbesserungen auf den Äckern würden nötig sein, damit die Felder wieder fruchtbar wurden. Im Moment war der Boden noch nicht einmal bereit für Hafer und Gerste.
Die wenigen Pächter, die lange sich selbst überlassen worden waren, kamen zu ihm und beklagten sich, dass ihre Cottages ausgebessert werden müssten.
Sobald Derek erfasst hatte, wie riesig die Probleme von Balfour Manor waren, musste er sich zwingen, tief durchzuatmen, um ruhig zu bleiben. Was zum Teufel sollte er jetzt tun?
Ja, als Lord Arthurs Erbe hatten seine Aussichten sich entschieden verbessert, doch er musste verantwortungsvoll handeln. Er konnte nicht das gesamte Vermögen seines Vaters aufwenden, und das wäre nötig, um alles wieder herzurichten.
Aber noch beunruhigender erschienen ihm die Veränderungen, die ihm an Lily auffielen. Seit sie hier angekommen waren, zeigte sich der unglückliche Einfluss, den Balfour Manor auf seine Braut hatte, immer deutlicher. Derek machte sich Sorgen.
Es war seine Pflicht, sie zu beschützen, besonders ihre Seele und ihre Gefühle. Er wusste nicht, wie er das an diesem Ort bewerkstelligen sollte.
Er
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