058 - Der Duft von Sandelholz
Sohn. Er blickte von Derek zu Lily, und seine Augen wirkten etwas verschleiert. Dann trat er zur Seite und setzte sich neben Mrs.
Clearwell, die bereits rückhaltlos schluchzte.
Die Zeremonie erreichte ihren Höhepunkt mit den innigen Gelöbnissen, die sie sprachen. Dabei standen sie Hand in Hand nebeneinander. Als Derek ihr den schlichten goldenen Ehering ansteckte, traten Lily die Tränen in die Augen. Und als er den Schleier hob, um sie zu küssen, dachte sie an den Abend in dem Gartenpavillon und wie sie ihm nicht erlaubt hatte, ihr die Maske abzunehmen. Er sollte nicht sehen, wer sie wirklich war. Jetzt wusste er es.
Er wusste alles von ihr. Und er liebte sie.
Lily war überzeugt, sie würde ihn immer lieben.
Sie hörte kaum, wie der Pfarrer sie zu Mann und Frau erklärte. Als er sich vorbeugte, um sie zu küssen, wirkte auch Derek ein wenig überwältigt von dem Ansturm seiner Gefühle.
Sie schwebte mehr aus der Kirche, als dass sie ging. Drei Käfige voller weißer Tauben wurden geöffnet, als die Hochzeitsge-sellschaft ihnen folgte. Sie flogen hinauf zum Himmel, zusammen mit all ihren neuen Hoffnungen. Lily hatte Tauben gewählt, das Symbol des Friedens, jetzt, da ihr Krieger nach Hause gefunden hatte.
Nach der Trauung waren alle zu einem Empfang in Knight House geladen. Es stimmte, sie kannte Dereks Cousins nicht sehr gut, aber wenn ein Duke und eine Duchess einem ihr Stadthaus für den Hochzeitsempfang zur Verfügung stellten, dann lehnte man nicht einfach ab, wenn man vernünftig war. Es war schließlich mehr als nur eine freundliche Geste. Es war ein Zeichen für die Gesellschaft, dass die Frisch vermählten zu diesem illustren Kreis von diesem Tag an dazugehörten.
Während das Hochzeitsessen serviert wurde, strömte der Champagner. Ein Kuchen wartete auf sie, ein wahrhaftiges Wunderwerk, überzogen mit weißem und silbernem Zuckerguss sowie einer Verzierung aus rosa- und violettfarbenen Rosetten. Lily musste ihn immerzu ansehen.
„Ich finde, er ist zu schön, um ihn zu essen", erklärte sie, als Mrs. Clearwell zu ihr trat.
„Wo ist dein Ehemann? Ach, wie das klingt! Dein Ehemann! Du kannst nicht wissen, was das für einen Triumph für mich bedeutet, meine Liebe. Du kannst es unmöglich wissen." Mrs. Clearwell trank einen großen Schluck Champagner.
Lily fragte sich, wie viele Kelche sie schon davon geleert hatte. Sie sah, wie Derek alle bezauberte. Er sprach mit Lord und Lady Balfour, war ein aufmerksamer Gastgeber und er tat alles, wie sie bemerkte, damit die Außenseiter sich wohlfühlten. Mein reizender Mann, dachte sie und winkte ihn zu sich.
„Was ist?", fragte er, als er zu ihr kam und ihr einen Kuss auf die Wange gab.
Lily zeigte auf ihre Gönnerin. „Mrs. Clearwell hat uns etwas zu sagen."
„Ich muss euch einen letzten guten Rat geben, meine lieben jungen Leute", flüsterte Mrs. Clearwell lautstark.
„Ja?", fragte Lily aufmerksam und wartete.
„Wir werden ihn mit Freuden anhören", erwiderte Derek etwas skeptischer und legte eine Hand an Mrs. Clearwells Rücken, um sie zu stützen. „Geht es Ihnen gut, meine Liebe?"
„Ich bin vielleicht ein wenig beschwipst", gab sie zu. „Aber ich habe einen Grund zum Feiern. Außerdem bin ich außer
Dienst, oder? Meine Aufgabe als Anstandsdame hat sich erledigt." Lautstark schluchzte sie in ihr Taschentuch. „Ach, ich bin ja so glücklich."
„Sie waren eine wunderbare Anstandsdame", sagte Lily und tätschelte ihr den Arm.
„Und du warst ein wunderbarer Schützling." Sie schnäuzte sich und nahm sich zusammen. „Also, hört gut zu, denn mein Rat ist ein guter Rat." Sie winkte beide näher zu sich heran. „Folgt euren Herzen - vertraut immer eurem Herzen, Kinder. Es weiß mehr, als euer Verstand jemals wissen wird. Es hat euch zueinander geführt.
Vertraut euch selbst. Es ist die einzige Möglichkeit für euch, einander zu trauen. Es wird schwere Zeiten geben -ganz sicher, die gibt es immer. Aber gebt niemals auf.
Und was immer auch geschehen mag, gebt einander niemals auf."
„Das werden wir nicht", versprach Derek leise, aber Lily umarmte sie nur. Sie spürte einen dicken Kloß im Hals und brachte kein Wort heraus.
Kurz darauf erschien Gabriel und bat Derek um ein Wort unter vier Augen.
„Du hast eine wunderbare Rede gehalten", sagte Lily zu ihrem neuen Schwager. Der lächelte nur bescheiden.
„Ich bringe Ihren Gemahl gleich wieder zurück, Mrs. Knight."
Lily strahlte beim Klang dieser neuen Anrede.
Derek folgte
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