058 - Der Duft von Sandelholz
eine Ehe mit ihr gleichzusetzen war mit lebenslangem Sklavendienst oder einer Verurteilung zu schwerem Arbeitsdienst in den Strafkolonien Australiens.
Wortlos zog er seine schmutzige Arbeitskleidung aus und wusch sich.
Noch immer im Dienst.
Lily fühlte die Tränen, die hinter ihren Lidern brannten, und blinzelte, um sie zu vertreiben. Ach, was tat sie ihm nur an!
Als er zu ihr kam und sich auf die Bettkante setzte, kniete sie sich neben ihn, rieb ihm die Schultern und küsste ihm in stummer Entschuldigung den Nacken. Er seufzte, als sie eine Ver-Spannung wegmassierte.
Er musste es nicht aussprechen. Sie wusste, dass er es hasste, hier zu sein, und dass er vermutlich bald anfangen würde, auch sie zu hassen.
Er war nicht glücklich. Wie konnte er das sein, wenn er wie ein Pferd schuftete und all den Anstrengungen ausgesetzt war, die durch Lady Clarissa verursacht wurden?
Inzwischen wunderte sich Derek vermutlich, warum er sie überhaupt geheiratet hatte.
Und nachdem sie sich niedergelassen hatten, in Balfour Manor, und sie wieder die bedauernswerte kleine Person geworden war, die sie hier immer gewesen war, fragte Lily sich das allmählich selbst. Wie hatte jemand, der so viele Fehler besaß wie sie, es nur geschafft, einen Gott wie ihn zum Ehemann zu gewinnen?
Derek hatte versprochen, dass er nicht nach Indien zurückkehren würde, aber inzwischen wünschte er sich vermutlich, er könnte das tun. Ein Teil von ihr hatte Angst, vermutlich eine ganz irrationale Angst, dass er sie schließlich doch noch verlassen würde - so wie ihr Vater das getan hatte.
„Geht es dir gut?", fragte er und griff nach ihrer Hand auf seiner Schulter, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Lily zögerte eine Weile. „Es geht mir gut", sagte sie mit fester Stimme. Wenn sie klagte, würde alles nur noch schlimmer werden. „Wie geht es dir?"
„Es ging mir schon besser", gab er zu, mit einem müden Lächeln in der Stimme.
„Oh Derek", flüsterte sie und schlang die Arme um seinen Hals. Sie hielt ihn fest an sich gedrückt, und er legte den Kopf an ihre Wange.
„Hm?"
„Es tut mir alles so leid." Sie strich über sein langes Haar, erwog die Fragen, die sie noch nicht ausgesprochen hatte, dann lehnte sie sich zurück und ließ ihn den Kopf auf ihren Schoß legen. Sie streichelte seine Wange, seine Brust. Sie holte tief Atem.
„Was ist für morgen geplant? Pamela und ich wollen gern helfen."
„Oh weh." Er stöhnte bei dem Gedanken daran. „Einige feuergefährliche Stellen in der Küche sind zuerst an der Reihe. Aber das Wichtigste ist, dass ich morgen Nacht die Löcher im Dach reparieren muss, durch die die Fledermäuse hereinkommen."
„Nachts?"
„Das muss nachts erledigt werden, während sie draußen umherfliegen, damit sie, wenn sie morgens zurückkehren, nicht mehr hereinkönnen."
„Wie gerissen."
Er lächelte matt.
Sie sah ihn eine Weile an, ihr war, als würde ihr Herz zerbrechen. „Liebster", platzte sie schließlich heraus, „auch das mit
Mutter tut mir sehr leid. Ich weiß, dass sie dich fast wahnsinnig macht. Sie ist einfach daran gewöhnt, alles zu bestimmen. Und jetzt bist du hier, und dich kann sie nicht hin- und herschubsen. Jetzt weiß sie gar nicht, wie sie sich verhalten soll."
„Es gefällt mir nur nicht, wie sie dich einschüchtert." Derek legte eine Hand auf ihr Knie. „Ich weiß, sie tut dir weh. Sie hat dich jahrelang so niedergedrückt mit ihrer vielen Kritik, nicht wahr?"
„Ich habe gelernt, wann ich sie einfach ignorieren muss."
„Aber so solltest du nicht leben müssen", widersprach er leise und sah ihr in die Augen. „Nichts an dir rechtfertigt böse Worte. Lily, ich liebe dich. Als ich dich heiratete, habe ich gelobt, dich zu beschützen, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Wenn sie weiterhin nichts weiter bietet als einen schädigenden Einfluss, dann wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich sagen muss: bis hierher und nicht weiter."
„Du bist so süß."
„Warum kannst du dich in ihrer Gegenwart nicht verteidigen? Jemand muss sie auf ihren Platz verweisen, und ich denke, das solltest du sein. Wenn du möchtest, werde ich das mit Vergnügen übernehmen. Aber ich glaube, dass es für dich am besten wäre, wenn du das in Angriff nimmst, und vielleicht auch für sie."
„Was schlägst du vor?", fragte sie belustigt. „Dass ich mich hinstelle und meine Mutter anschreie?"
„Ja, mach das, Mädchen. Nur so kann sie lernen, dass sie dich nicht einfach niedertrampeln
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