058 - Der Duft von Sandelholz
sagte Mrs. Clearwell mitfühlend.
Der Junge sah nun von Derek zu den Damen, und seine Unterlippe zitterte, als würde er gleich anfangen zu weinen.
„Hier, Matthew, du kannst meine haben", sagte Lily leise und bot ihm ihr Glas an, doch Derek sagte: „Unsinn."
Ohne zu zögern bückte er sich, hob die leicht angeschmolzene Kugel mit bloßen Fingern hoch und ließ sie in Matthews Schale fallen.
Der Junge sah ihn beunruhigt an.
Lily machte große Augen.
Ihre Mutter wäre auf der Stelle in Ohnmacht gefallen, hätte sie das gesehen, aber Derek nahm nur ein Taschentuch aus seinem Rock heraus und wischte sich die Hände ab. „Was ist? Sie ist noch gut", sagte er zu seinem entgeistert dreinblickenden Neffen. „Glaubst du mir nicht?"
Matthew beobachtete mit offenem Mund jede seiner Bewegungen.
„Hier", befahl Derek. „Ich versichere dir, ich habe im Krieg bedeutend schlechter gegessen." Er nahm einen Löffel voll Eis aus Matthews Schale und schob ihn sich in den Mund.
Lily und Mrs. Clearwell verzogen das Gesicht.
Derek schlug seinem Neffen liebevoll auf den Rücken. „Iss auf, Junge. Du wirst es überleben."
„Sind Sie da ganz sicher?", murmelte Lily und sah das Kind zweifelnd an, als Matthew beschloss, seine Ängste zu überwinden und sich ebenso glücklich wie zuvor über sein Eis herzumachen. „Ich hoffe, er wird nicht krank."
„Ach, es wird ihm gut gehen. Ein bisschen Dreck wird ihm nicht schaden."
Männer. Lily sah den Major an. „Sie sind schon ein wenig merkwürdig, nicht wahr?"
„Eiscreme von einem Londoner Bürgersteig hat noch niemanden das Leben gekostet. Man sollte einen Jungen, der etwas auf
sich hält, nicht zu sehr verhätscheln. Nicht wahr, Matt?"
„Ja, Sir!" Der Junge sah auf und schenkte ihm mit seinem verschmierten Mund ein Lächeln. Offenbar gefiel es ihm, dass dieser Onkel es wagte, die Regeln zu überschreiten. Aber Lily bezweifelte, dass das Kind wusste, worüber sie sprachen.
Sie wandte sich wieder an Derek und hatte das Vergnügen zu sehen, wie er sein Eis genoss und sich dabei entspannt an die Kutsche lehnte. „Sie haben also eine ganz eigene Philosophie entwickelt, wie man Kinder aufzieht, ja?"
Seine Augen blitzten. „Sie unterscheidet sich nicht so sehr von der, mit der Truppen ausgebildet werden." Er zuckte die Achseln. „Ich mache aus unbedarften jungen Männern Soldaten, Miss Balfour. Natürlich ist Matt ein bisschen jünger als die Burschen, die man mir gewöhnlich schickt. Sehen Sie ihn an." Voller Stolz schüttelte er den Kopf. „Ein junger Tiger, der heranwächst."
„Er hat Glück, Sie zu haben", sagte sie leise.
Derek sah zu ihr auf und schwieg einen Moment lang. „Bald muss ich ihn zu meiner Schwester zurückbringen. Ich habe mir überlegt - warum kommen Sie beide eigentlich nicht mit, damit ich Sie vorstellen kann?"
„Ich dachte, Sie sagten, Ihre Ladyschaft fühlt sich nicht wohl?"
„Ihre Ladyschaft?" Er lachte. „Stimmt. Ich vergaß. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt, dass sie jetzt einen Titel hat. Zu Hause ist sie einfach Georgie. Lady Griffith. Großartig."
Lily lachte. „Stehen Sie beide sich sehr nahe?"
„Ehrlich gesagt, waren meine Schwester und ich einander immer eine Plage, aber Sie mögen sie vielleicht." Er neckte sie wieder. Der funkelnde Glanz in seinen hellblauen Augen zog sie wie magisch an.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich will Ihre Schwester nicht stören, wenn sie krank ist."
„Sie ist nicht krank, Miss Balfour." Er senkte die Stimme und beugte sich vor. „Sie ist schwanger."
Lily errötete, als er ihr tief in die Augen sah. „O", sagte sie matt.
Sein Lächeln verriet, wie sehr ihn ihr Unbehagen amüsierte. „Jedenfalls ist der Morgen längst vorüber, daher sollte es ihr inzwischen besser gehen. Oder, Mrs.
Clearwell?"
„Schwer zu sagen." Die ältere Frau zuckte die Achseln. „Das ist bei jeder Frau anders."
„Begleiten Sie mich wenigstens, wenn ich Matthew nach Hause bringe, und wir finden heraus, ob Ihre Ladyschaft heute Besucher empfängt." Er warf einen Blick auf Lily und stellte fest, dass sie noch immer unsicher war.
„Miss Balfour, waren Sie schon einmal im Londoner Stadthaus eines Marquess?"
„Nein."
Er nickte. „Dies hier müssen Sie sehen. Es würde Sie zumindest ermutigen, etwas höher hinaus zu wollen." Er zwinkerte ihr zu und nahm noch einen großen Löffel voll Eiscreme, während Lily ihm einen Schubs versetzte.
„Sie Scheusal!"
Mrs. Clearwell lachte heiter.
„Ich scherze nur",
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