058 - Der Duft von Sandelholz
unermüdlichen Strom flinker Ober, die hinein- und hinauseilten, um bestelltes Eis zu den Leuten zu bringen, die in dem Park auf der anderen Straßenseite warteten. Andere sammelten auf ihren Tabletts die gebrauchten Löffel und leeren Glasschalen ein, von jenen Kunden, die ihre Süßigkeit aufgegessen hatten.
Derek und sein Schützling kamen wieder, als Lily und Mrs. Clearwell gerade mit ihrer Bestellung an der Reihe waren.
„Sieh dir nur all die Geschmacksrichtungen an", sagte er erstaunt und hielt Matthew hoch, damit er sehen konnte, wie das Eis aus großen, gefrorenen Metallbehältern in zierliche Glaskelche gefüllt wurde. „Was nehmen wir?"
Mrs. Clearwell hatte sich schnell entschieden. „Ich werde das Pfirsichsorbet nehmen."
„Pfefferminz", rief Matthew begeistert.
„Miss Balfour?" Derek lächelte sie an.
„Hm, ich fühle mich unternehmungslustig. Ich werde die weißen Johannisbeeren versuchen."
Bei ihrer Wahl verzog Derek das Gesicht, dann wandte er sich an den Kellner. „Für mich Mandel und Pistazie."
„Du bekommst zwei?", rief Matthew.
„Nur für den Fall, dass Miss Balfour das Gewählte nicht so gut gefällt, wie sie glaubt.
Wo ist eigentlich Edward?", fügte er leise hinzu.
Lily schüttelte den Kopf und lachte über seine untergründige Boshaftigkeit. „Wenn ich es recht bedenke, wähle ich lieber Vanille", sagte sie dem Kellner.
„Vanille?", spottete Derek. „Wie langweilig."
„Vanille hat einen wunderbaren Geschmack, nur damit Sie Bescheid wissen."
„Ich glaube nicht, dass sie weiß, was sie überhaupt will, Mrs. Clearwell."
„Nein, wirklich nicht Major, wirklich nicht." Ihre Gönnerin lachte heiter, so sehr amüsierte sie sich.
„Wenn ihr zwei aufhört zu reden, kann ich vielleicht denken." Lily beachtete die beiden, die über sie lachten, nicht mehr, und versuchte ernsthaft herauszufinden, worauf sie Appetit hatte.
Jede Geschmackssorte klang so verlockend!
„Ananas", erklärte sie plötzlich.
„Ah, die elegante Ananas", sagte Derek zustimmend.
„Ein Symbol der Gastfreundschaft", stimmte Mrs. Clearwell mit ernsthaftem Nicken zu.
„Würdet ihr zwei bitte aufhören, euch über mich lustig zu machen", schimpfte Lily.
„Wir werden es sofort bringen", sagte der verstimmte Kellner schroff, offenbar froh, sie los zu sein und sich entscheidungsfreudigeren Kunden zuwenden zu können.
Derek winkte ab, als Mrs. Clearwell in ihr Retikül greifen wollte. Er weigerte sich, sie bezahlen zu lassen, und übernahm die Rechnung. Sie dankten ihm, als sie den Laden verließen, um sich in Mrs. Clearwells offene Barouche zu setzen und darauf zu warten, dass ihre Bestellung hinausgebracht wurde. Der Kutscher hatte das Gefährt neben einem Rasenstück im Schatten üppiger Platanen abgestellt.
Dies sei, erklärte ihnen Mrs. Clearwell, eine angemessene Art, in London Eiscreme von Gunter's zu essen.
Lily spürte die neugierigen Blicke jener Mitglieder der guten Gesellschaft, die ebenfalls im Park ihr Eis aßen. Offenbar erstaunte es die Klatschmäuler, den berüchtigten Major Derek Knight in Begleitung eines kleinen Jungen, einer jungen Dame aus guter Familie und ihrer Anstandsdame zu sehen. Man war gewohnt, Anrüchigeres an seiner Seite zu sehen.
O je, dachte Lily. Das wird Gerede geben.
Aber hier geschieht nichts Ungehöriges, ermahnte sie sich. Natürlich wäre ohne die Gegenwart Mrs. Clearwells ihr Ruf ruiniert, ehe die Eiscreme auch nur angetaut wäre - jene Eiscreme, die ihnen soeben gebracht wurde.
Als der Kellner heraneilte, sprang Derek mühelos über den Rand der Barouche.
„Wo wollen Sie hin, Major?", fragte Lily.
Mit einem Lächeln nahm er die Portionen der Damen von dem Tablett des Kellners und reichte ihnen die zierlichen Gläser hinauf.
„Hallo, Matthew", rief er danach seinem Neffen zu und hielt dem Jungen die Arme entgegen. „Wir werden unser Eis im Stehen essen. Sonst werden nachher überall in der hübschen Kutsche Flecken sein, glaube mir." Schwungvoll hob er den Jungen aus dem Gefährt, stellte ihn auf den Bürgersteig und gab ihm sein Eis.
Matthew stürzte sich darauf, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem glänzenden Käfer abgelenkt, der über den Boden krabbelte.
Er beugte sich vor, um ihn näher zu betrachten, dabei rollte seine Eiscremekugel aus dem Glas und landete zu seinen Füßen.
Entsetzt blickte Matthew zu seinem Onkel, während der Käfer, der nur knapp verfehlt worden war, die Flügel ausbreitete und davonflog.
„Oh nein",
Weitere Kostenlose Bücher