058 - Der Kampf um den Ring
unser kleiner Schäker dort ein Rendezvous hätte«, sagte Mr. Silver.
»Mit einem Mann«, mutmaßte ich.
»Pfui, Spinne!«
»Um 19 Uhr.«
»Jetzt ist es 20 Uhr«, sagte Mr. Silver, »und da sich Cruv nicht meldet, ist er meiner Ansicht nach in Schwierigkeiten geraten.«
»Los, komm, Silver. Wir mieten einen Wagen und fahren hin. Hoffentlich kann Cruv noch ›Hallo!‹ sagen, wenn wir ihn finden.«
***
Tim »Tiger« Huitgaacht schwitzte. Wild schlug er mit seinen Fäusten auf den Gegner ein. Sein sicheres Auge bemerkte jeden Deckungsfehler. Sofort stach er mit einer Geraden zu oder kam mit einem Schwinger ins Ziel.
Tim Tiger war ein Bulle. Groß, breit, muskulös. Ein Schwergewicht mit vernarbten Augenbrauen, einem eingeschlagenen Nasenbein und weit vorspringendem Kinn.
Er konnte nicht nur austeilen, sondern war ebensogut im Nehmen, und diese Qualitäten machten ihn zum Champion, zum Killer im Boxring.
Er schlug alles k. o. was man ihm vor die Fäuste stellte, und Boom Nadegelt, sein Trainer und Manager, prophezeite ihm eine sagenhafte Karriere.
Mit ein bißchen mehr Disziplin hätte Tim Tiger bis zur Weltspitze vorstoßen können, doch soweit hatte ihn sein Betreuer noch nicht.
Tim liebte alkoholische Getränke und schöne Mädchen. Diese beiden Laster waren schon vielen Spitzensportlern zum Verhängnis geworden. Immer wieder sagte Boom Nadegelt das seinem Schützling, doch dieser glaubte ihm nicht.
Bisher hatte er trotz des lockeren Lebenswandels alles in Grund und Boden geboxt. Deshalb sah Tim Tiger keinen Grund, enthaltsam zu leben.
Er nahm das Training ernst, arbeitete hart und schonte sich nicht - und das mußte seiner Ansicht nach reichen.
Noch baute der Manager den neuen Champion auf. Noch wehte Tim Tiger der scharfe, rauhe, unerbittliche Wind des harten internationalen Boxgeschäfts nicht um die Nase, aber der schwere Brocken hatte davor keine Angst.
Er war zuversichtlich, eines Tages so bekannt zu sein wie Muhammad Ali.
Jetzt drosch er mit einer präzisen Kombination auf seinen Sparringspartner ein. Niemand war schneller als er, niemand hatte einen härteren Schlag.
»Ja!« rief Boom Nadegelt begeistert. »So ist es richtig, Tiger! Und nun setz nach…! Genauso!«
Das Muskelspiel des großen Mannes war herrlich anzusehen, und Tim Tiger war mit großartigen Reflexen gesegnet.
Sein Gegner war ein ausgezeichneter Mann, aber gegen Tim Tiger fiel er merklich ab.
Nadegelt beendete das Training. Er kletterte zu den Boxern in den Ring und redete mit ihnen, doch Tim Tiger hörte nicht zu.
Der blonde Riese blickte über die Schulter des Trainers hinweg zu den Sitzreihen. Dort saß ein atemberaubendes Mädchen.
Brandrot war ihr halblanges Haar, und meergrün die leicht schräggestellten Augen. Ihr Teint war zart, als würde sie die Sonne meiden, und was der Boxer von ihrer Figur sehen konnte, warf ihn fast um.
»Tim! Tim!« sagte Nadegelt ärgerlich. »Verdammt noch mal, du hörst mir ja überhaupt nicht zu.«
»Aber ja.«
»Was habe ich gesagt? Wiederhole es.«
»Wir sind hier nicht in der Schule, Boom.«
»Dies ist eine Boxschule !«
»Ich brauche deine Ratschläge nicht. Ich weiß, daß ich der Beste bin.«
»Steig bloß ganz schnell herunter von deinem hohen Roß, mein Lieber, sonst gibt es für dich demnächst ein böses Erwachen. Hochmut kommt vor dem Fall, sagt man.«
»Du sagst doch selbst immer, daß ich der Champion bin.«
»Das heißt aber noch nicht, daß du von mir keine Tips mehr brauchst. Junge, du wirst in vierzehn Tagen deinen bisher schwersten Kampf bestreiten. Mir scheint, als wärst du dir dieser Tatsache nicht richtig bewußt.«
»Ich werde diesen Kampf gewinnen. Mach dir darüber keine Gedanken.«
»Manchmal gehst du mir mit deiner Überheblichkeit ganz schön auf den Geist.«
»Wer ist das Mädchen?« fragte der Boxer.
»Welches Mädchen?«
»Das dort auf der Bank sitzt.«
Der Trainer wandte sich kurz um. »Ich kenne sie nicht.«
»Ich auch nicht, aber ich würde sie gern kennenlernen, und du wirst das für mich einfädeln.«
»Hör mal, du hast sie wohl nicht alle. Zwei Wochen! Sag mal, wieso kapierst du das nicht? Zwei Wochen stehen dir nur noch für die Vorbereitung zur Verfügung. In dieser Zeit solltest du keinen Alkohol trinken und die Finger von kleinen Mädchen lassen.«
Der Boxer griente. »Mußt du, als mein Trainer und Manager, nicht dafür sorgen, daß ich mich rundum wohl fühle? Nun, dazu gehört es, daß ich mit diesem Mädchen heute
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