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0582 - Der Totenbaum

0582 - Der Totenbaum

Titel: 0582 - Der Totenbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Mitternacht fort.
    Zur Bushaltestelle an der Hauptstraße, die am Dorf vorbeiführte.
    Da lag auch der Friedhof, der genau zwischen Dorf und Straße lag.
    Was erwarte ich überhaupt zu finden? fragte sie sich. Einen Mann, der niedergeschlagen oder tot am Wegesrand liegt? Wenn Alan etwas zugestoßen ist, dann wohl eher in Lyon!
    Sie ging an der Friedhofsmauer vorbei.
    Dieser große Baum… irritierte sie.
    Als schwarzer Schatten zeichnete er sich gegen den Sternenhimmel ab. Verena konnte sich nicht entsinnen, ihn früher hier gesehen zu haben.
    Sie leuchtete ihn mit der Taschenlampe an.
    Sie schrie auf.
    Aber nur ganz kurz.
    Danach konnte sie nicht mehr schreien.
    ***
    »Na, geht's besser?« fragte Dr. Mathieu munter. »Sie sehen immer noch so grün aus wie Mallets kleine Marsmännchen. Das ist gar nicht gut an diesem frühen Morgen. Sie sind viel zu zart besaitet für diesen Beruf, Pierre.«
    Chefinspektor Pierre Robin bemühte sich, seinen Blick nicht wieder in die Richtung der beiden Leichen zu wenden. Schrecklich waren die beiden Körper zugerichtet worden.
    »Ich werde Sie verhaften, René«, drohte Robin. »Wegen Mangel an Menschenähnlichkeit. Sie könnten eher als Fleischerhund durchgehen denn als Arzt.«
    »Ich bin ja auch kein richtiger Arzt. Ich bin nur Gerichtsmediziner. Ist mir auch ganz lieb so - meine Patienten beschweren sich hinterher nicht über meine Arbeit. Und jetzt fragen Sie mich bloß nicht schon wieder nach der Todesursache.«
    »Nur nach der Zeit«, seufzte Robin.
    »Auch danach nicht!« protestierte der Polizeiarzt. »Schauen Sie sich diese armen Teufel doch an! Wie soll ich da nach bloßem Augenschein etwas feststellen?«
    Unwillkürlich schaute Robin doch wieder hin, obgleich er das gar nicht wollte, und prompt wurde er wieder giftgrün im Gesicht.
    An Tagen wie heute fragte er sich, wie Männer wie René Mathieu es aushielten, dem Tod täglich neu und in all seinen erschreckenden Variationen zu begegnen. Auch Robin hatte schon eine Menge Tote erblicken müssen. Aber wenn die ersten Ermittlungen am Tatort gelaufen waren, sah er die Leichen in den seltensten Fällen noch einmal wieder.
    »Verdammt noch mal!« knurrte Robin. »Wann können Sie mir Ergebnisse liefern?«
    »Auch das ist eine der verbotenen Fragen«, erwiderte Mathieu. »Dabei kennen Sie die Antwort doch!«
    Robin sah auf die Uhr. »Ja… nicht vor heute mittag… wie immer…«
    »Nicht vor heute nachmittag«, verbesserte Mathieu.
    Robin trug es ihm nicht nach.
    Er suchte Jerome Vendell.
    Der Leiter der Abteilung Spurensicherung zuckte mit den Schultern.
    »Wir wissen ja nicht mal, wonach wir suchen sollen, Pierre. Solange wir nicht wissen, wodurch die beiden umgebracht wurden, ist da nichts zu machen. Aber wir fotografieren und vermessen alles, damit wir später darauf zurückgreifen können. Ach ja, der Boden ist hier in der Nähe stellenweise aufgewühlt, als hätte jemand versucht, ihn umzugraben. Versteh' ich nicht. Bei einem der Opfer haben wir einen Ausweis gefunden. Der Mann wohnte hier im Dorf. Ein gewisser Alan Lacroix. Vielleicht hilft Ihnen das weiter.«
    »Danke, Jerome.« Robin sah zum Dorf hinüber und dann wieder zum Tatort. Die beiden Leichen waren inzwischen in die provisorischen Zinksärge gelegt und verladen worden.
    »Schon eigenartig, direkt neben dem Friedhof zu sterben…«
    ***
    Jeder in Loyettes hatte Alan Lacroix gekannt und geschätzt, aber nur Baptiste, der Wirt des ›Roulé‹, konnte sich daran erinnern, daß Verena Aups gestern am späten Abend nach Alan gefragt hatte. »Da hatte ich den Laden bereits zugemacht, lag schon beinahe im Bett. Verena machte sich wohl Sorgen um Alan, weil er um Mitternacht noch nicht aus Lyon zurück war.«
    »Lacroix arbeitete in Lyon?« hakte Robin nach, der jetzt nicht mehr ganz so giftgrün im Gesicht war. Ein dreistöckiger Cognac hatte die üble Tönung etwas zurückgehen lassen. Er focht jetzt in Robins Magen mörderische Schlachten gegen die Übelkeit aus, die jedesmal aufs neue aufsteigen wollte. Robin beschloß, diese schreckliche Erinnerung an die zerstückelten Leichen von seinem Freund Zamorra hypnosuggestiv blockieren zu lassen, sobald dieser Fall ausgestanden war, damit er die grauenhaften Bilder nicht für den Rest seines Lebens mit sich herumschleppen mußte.
    Baptiste erzählte alles, was er über Alan Lacroix wußte, und das war eine ganze Menge. Auch über Verena Aups, die seit fast einem Jahr Lacroix' Freundin war. In Robin wurde der Verdacht

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