0582 - Der Totenbaum
von Hexenverbrennung?«
Fooly: »Ich habe noch nie eine Hexe verbrannt! Ich weiß gar nicht, wie das geht und warum man das macht! Die spinnen, die Menschen!« Mit dem längsten und dicksten Finger seiner dreifingrigen Hand pochte er sich anhaltend heftig gegen die Drachenstirn wie ein Specht bei der Holzwurmfahndung.
Nicole verdrehte die Augen.
»Tu mir einen Gefallen, du Bonsai-Drache«, seufzte sie. »Wenn du beim nächsten Mal unbedingt Feuer speien mußt, verbrenn bitte Zamorras Klamotten und nicht meine.«
»Aber ich wollte das doch gar nicht. Wie ich schon sagte, ich…«
Sie winkte ab. Mit Fooly zu diskutieren, war manchmal komplizierter, als gegen das Rauschen der Niagara-Fälle anzupredigen.
Foolys große Telleraugen leuchteten bei ihrer Geste förmlich auf. »Du bist mir nicht mehr böse, Mademoiselle Duval?« fragte der Jungdrache. »Darf ich euch dann etwas erzählen? Deshalb bin ich eigentlich überhaupt so schnell zu euch gekommen, statt den Umweg um das Wasserbecken herum zu nehmen.«
Ein Umweg von vielleicht zwanzig, na gut, dreißig Metern. Die Zeit, die er dadurch gespart hatte, war längst zehnfach verloren.
»Sprich dich ruhig aus«, sagte Zamorra.
»Kannst du dir Bäume vorstellen, die Menschen ermorden?« fragte der Drache.
***
»Aber das ist doch hirnrissig«, rief Staatsanwalt Gaudian. Robin und Brunot hatten ihn in seinem Büro aufgesucht und ihm die Akte vorgelegt.
»Borkenrissig«, murmelte François Brunot.
Jean Gaudian rückte seine Brille auf der Nase zurecht und warf dem Assistenten einen ungnädigen Blick zu. »Passen Sie bloß auf, daß Ihr unmittelbarer Vorgesetzter in Kürze nicht gegen mich ermitteln muß. Wegen vorsätzlichen Mordes im Affekt. Noch dazu aus ehrbar niederen Motiven.« Er legte die Handfläche auf den Autopsiebericht. »Was hier steht, ist doch wohl nur ein dummer Witz.«
»Warum lachen Sie dann nicht? Mir ist's im Halse steckengeblieben. Vor allem, weil ich mich wieder an das Aussehen der Toten erinnert habe«, sagte Robin. Dann sah er Brunot an. »Ach ja - ich hab's Ihnen ja noch gar nicht gesagt. Künftig übernehmen Sie den Außendienst. Spätestens, wenn Wisslaire seinen Dienst bei uns antritt. Dann widme ich mich ausschließlich dem Papierkrieg, damit der dann auch dem Herrn Staatsanwalt in Form und Inhalt genehm ist…«
»Sie finden sich heute wohl besonders witzig, wie?« fragte Gaudian grimmig. »Und was Sie mir hier vorgelegt haben… Pflanzenfasern, die von Baumwurzeln stammen. In den Leichen. Künstlich geschaffene Kanäle, die den Eindruck machen, als seien sie von wachsendem Wurzelwerk geschaffen worden… Bei aller Liebe zu Ihrem Hang für's Fantastische, Messieurs, aber das hier sprengt doch jeden Rahmen! Wetten, daß sich darüber sogar Ihr Freund, der Gespensterprofessor, totlachen wird? Wurzeln, die durch einen Menschen wachsen und ihn dadurch töten… das gibt's nicht!«
»Pardon, Monsieur Procureur«, konterte Brunot. »Sie irren gleich doppelt. Die Todesursache waren nicht die Pflanzenwurzeln an sich, nur haben sie den Körpern die organischen Nährstoffe entzogen. Und zum anderen gibt's das durchaus, daß Baumwurzeln durch Menschen wachsen - zum Beispiel auf alten Friedhöfen, wo viele Bäume stehen. Oder auch bei Leichen, die im Wald vergraben…«
»Aber das passiert erst nach dem Tod, Mann!« protestierte der Staatsanwalt. »Aber diese Menschen hier waren da noch lebendig, verdammt!« Gaudian runzelte die Stirn. »Was werden Sie jetzt tun?« fragte er beißend. »Einen Baum verhaften?«
»Aber sicher«, versprach Robin. »Dann kann ihn der Richter wegen zweifachen Mordes zu zweimal lebenslänglich verurteilen. Als Baum hat er wenigstens was davon. Wissen Sie, Gaudian, wie alt Bäume werden können, wenn man sie nicht zu Schreibtischen zersägt? In Kalifornien soll's ein paar geben, die schon mehrere tausend Jahre alt…«
»Raus!« fauchte der Staatsanwalt. »Und lassen Sie sich erst wieder hier blicken, wenn Sie den Mörder haben!«
Im Hinausgehen murmelte François Brunot: »Da werden aber die Maurer 'ran müssen. Sonst kriegen wir einen Baum doch nie hier rein… und erst recht nicht in den Gerichtssaal…«
Robin schüttelte den Kopf. Er zog die Tür hinter ihnen zu, ehe Gaudian mit dem Brieföffner oder schwererem Gerät nach ihnen werfen konnte. »François, daß Sie noch keiner erschlagen hat, mit Ihren schrägen Bemerkungen…«
»Die habe ich alle von Ihnen, Chef. Wußten Sie nicht, daß ich ein sehr
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