0586 - Gasthaus zur Hölle
blieben beide stehen und schauten vorsichtig auf den Sarg.
Auch sie erschraken. Der Pfarrer schlug ein Kreuzzeichen und flüsterte: »Das ist Teufelswerk. Sie können sagen, was Sie wollen, aber das ist Teufelswerk.«
»Vielleicht«, murmelte ich.
»Doch, doch. Ich weiß es. So etwas kann man nicht hinnehmen.«
Er schüttelte sich. »Wer sollte sonst diese blasphemische Tat begangen haben? Wer denn?«
»Kennen Sie das Zeichen?« erkundigte ich mich.
»Es sieht aus wie ein T oder ein Kreuz, das nicht ganz durchgezeichnet worden ist.«
»Stimmt. Und das sagt Ihnen nichts?«
Er hob die Schultern.
»Haben Sie schon etwas von den Templern gehört, Herr Pfarrer? Dieser alte Orden, der im vierzehnten Jahrhundert zerschlagen worden ist?«
Sein Blick wurde skeptisch. »Ja, diese Ketzer. Ich habe in Büchern darüber gelesen.«
»Ob Ketzer oder nicht, das möchte ich einmal dahingestellt sein lassen. Wichtig ist, daß es später zwei Gruppen von Templern gab. Die eine ging den geraden Weg, die andere nicht. Hier haben wir es leider mit der Gruppe zu tun, die nicht den geraden Weg eingeschritten ist. Die Templer sind hier.«
»In Salzburg?«
»Ja.«
Der Pfarrer überlegte. Wir ließen ihn in Ruhe, denn wir sahen, daß ihm die Antwort nicht leicht fallen würde. »Vielleicht haben Sie sogar recht«, meinte er. »Ich kenne unsere Friedhöfe in der Stadt. Dort liegen nicht nur Personen begraben, die Anhänger der beiden großen Glaubensrichtungen waren. Freimaurer, Rosenkreuzer, Templer, sie finden auf unseren Friedhöfen all die Richtungen. Mozart gehörte auch zu den Freimaurern. Da haben wir Tradition. Die Zauberflöte wandte sich schließlich gegen die Macht des Katholizismus. Er hatte Maria Theresia als Königin der Nacht vorgesehen. Wenn Sie das alles in Betracht ziehen, kommen wir Ihrer Auffassung der Dinge schon näher.«
»Das meine ich auch.«
»Das sind Lippenbekenntnisse, keine Erklärungen für die Vorgänge. Wieso kommt das Kreuz auf den Sargdeckel? Wer hat es dort aufgemalt?«
»Ob es aufgemalt ist oder nicht, werden wir gleich feststellen«, sagte Suko. »Ich sehe es mir mal an.«
Bevor der Pfarrer protestieren konnte, war der Inspektor bereits in das Grab geklettert. In der schmalen Lücke zwischen dem Sarg und der Grabwand fand er soeben Platz.
Seine Finger strichen über das Holz und zeichneten das T sehr genau nach.
»Was ist?«
Suko schaute zu mir hoch. »Wie eingebrannt, John. Als hätte jemand das Kreuz in den Sargdeckel eingeflammt.«
»Bist du dir sicher?«
»Immer. Ich kann es ertasten.« Suko dachte einen Moment nach.
»Soll ich den Sarg öffnen?«
»Das wäre nicht schlecht.«
Bärbel Hechter erschrak. »Was wollen Sie denn damit alles erreichen?«
»Dieses T kann möglicherweise etwas mit der im Sarg liegenden Leiche zu tun haben.«
»Meinen Sie wirklich?«
»Wir müßten nachschauen.«
Der Pfarrer hatte etwas dagegen. »Das kann ich nicht zulassen. Dazu benötigen Sie eine Erlaubnis. Außerdem käme es schon einer Todsünde gleich, wenn Sie…«
Ich nickte ihm zu. »Sie haben recht, wenn es sich um normale Vorgänge handelt. Diese hier sind nicht normal, Herr Pfarrer. Sie sind ungewöhnlich, möglicherweise schwarzmagisch. Sie wissen selbst, auf welch eine Art und Weise Gertrud Moser ums Leben kam. Das alles müssen wir in Betracht ziehen. Auch wir tun dies nicht gern. Es macht uns wirklich keinen Spaß.«
»Das denke ich mir auch.«
»Ich werde mal zusehen, was ich machen kann«, rief Suko aus dem Grab nach oben.
Keiner hinderte ihn daran. Er machte sich an den Verschlüssen zu schaffen, die relativ leicht geöffnet werden konnten.
»Ich möchte nicht hinschauen«, flüsterte Bärbel Hechter, was ich durchaus verstehen konnte. Die junge Frau trat zurück, während ich mich vorbeugte.
Suko hielt den Deckel bereits mit zwei Händen fest. Dann hob er ihn mit einem Ruck an. Er hatte sich so aufgebaut, daß er mir den Blick auf den Sarg nicht nahm.
Trotz der Sonnenfülle und der damit verbundenen Wärme überkam mich das Gefühl, mit beiden Beinen in einem Eiskeller zu stehen, denn aus dem Sarg quoll der Rauch in dünnen Schwaden.
Wir hörten etwas knistern, Blasen erschienen und zerplatzten wieder. Jemand schien Säure in den Sarg geschüttet zu haben, damit von der Leiche nichts mehr zurückblieb.
Was wir sahen, war eine schwarze teerartige Masse, aus der sich noch bleich die Knochen abhoben, die von der Säure erst aufgelöst werden mußten.
Selbst der Kopf war
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