0586 - In den Fängen des Wolfes
heftig ab. »Lassen Sie mir drei Jahre Zeit, und ich schreibe Ihnen mindestens ein paar Millionen Gründe auf. In der Zwischenzeit folgen Sie aber meiner Anweisung. Packen Sie zusammen, was Sie benötigen. Wir werden Sie sofort davon unterrichten, wenn Sie dieses Haus wieder bewohnen können. Vorerst aber sind Sie der Polizeiarbeit im Wege. Reicht das als Erklärung? Vielleicht sind Sie sogar in Gefahr, und zwar in Gefahr, ebenso zu verschwinden wie die beiden Frauen.«
»Sie wissen doch etwas, das Sie uns verschweigen«, knurrte Thorneaux zornig.
»In Ihrem eigenen Interesse«, brummte Robin. »Wisslaire, sorgen Sie dafür, daß die beiden von hier verschwinden, und versiegeln Sie das Haus dann wieder.« Er wechselte einen schnellen Blick mit Zamorra, der aber schüttelte den Kopf.
»Danach können Sie Feierabend machen«, fügte Robin hinzu.
»Keine Objektbewachung?« fragte Wisslaire erstaunt.
»Das übernehmen wir«, sagte Zamorra.
Wenig später verschwanden Thorneaux und seine Freundin mit deren Wagen, dem roten Renault 5. Wisslaire ging zu Fuß zurück zum Lokal, vor dem sein Dienstwagen immer noch parkte.
»Und jetzt«, sagte Robin und sah Zamorra und den Wolf stirnrunzelnd an, »erzählt ihr beide mir mal, was Fenrir herausgefunden hat.«
***
Clio in ihrem zerfetzten Nachthemd trat aus dem Wald hervor.
Fast konnte sie es nicht glauben, sie hatte schon nicht mehr damit gerechnet, jemals wieder etwas anderes zu sehen als den Wald und den Nebel.
Den blauen Nebel gab es zwar immer noch, aber vor ihr erstreckte sich eine weite Lichtung. Der Nebel war auch dünner geworden, so daß Clio jetzt auch besser sehen konnte, die Landschaft aber blieb ihr dennoch fremd.
Aber dann geschah noch etwas.
Ihre Nackenhärchen richteten sich plötzlich auf.
Mit einem Mal fühlte sie, daß sie nicht mehr allein war…
Und eine Gestalt trat aus dem Nebel und auf sie zu!
Die Gestalt, vor der sie sich fürchtete. Der Mann mit der Sturmlaterne.
Neben ihm strich der Wolf durch die hohen Gräser und den wallenden Nebel.
Clio erschauerte. Die Angst sprang sie wieder an. Sie wollte davonlaufen.
Aber wohin? Zurück in den Wald?
Sie wandte den Kopf und…
Da war kein Wald mehr! Die lichte Ebene unter einem dunklen, fremden Sternenhimmel erstreckte sich jetzt rund um sie herum und in jede Richtung!
Und Mann und Wolf näherten sich ihr unaufhaltsam.
Der Mann hob die Hand.
Und erneut griff der Wolf an!
***
Es ist meine eigene Fährte, teilte Fenrir mit. Aber an und auch in diesem Haus bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen!
»Was schließt du daraus?« fragte Robin.
Es muß einen Wolf geben, der mich imitiert. Der meinen Geruch besitzt und alles, was ich sonst noch wahrnehmen kann. Es ist, als wenn ich meinen eigenen Weg zurückverfolge. Aber… wie kann es einen solchen Doppelgänger geben? Ich verstehe das nicht. Die Übereinstimmung ist absolut perfekt!
»Magie…«, überlegte Zamorra. »Jemand hat ein völlig identisches Abbild von dir geschaffen. Aber warum? Was bezweckt dieser Jemand damit?«
Du bist der Experte.
»Aber ich bin kein Hellseher. Ist deine Doppelgängerfährte eigentlich alles, was du wahrnehmen kannst? Ich hatte gehofft, du würdest auch Spuren der verschwundenen Menschen finden.«
Fenrir schniefte und zog das Stirnfell kraus. Da gibt es ein Problem…
»Laß dir nicht jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen«, drängte Robin.
Ich habe keine Würmer! protestierte Fenrir prompt. Und wenn, würde ich sie mir kaum von dir aus der Nase zeihen lassen, sondern mich eher mit einer Wurmkur abfinden, auch wenn diese Medikamente scheußlich schmecken. Zu wenig Fleisch dran, zuviel Chemie.
»Zur Sache, Wolfi!« drängte Robin.
Ich bin längst dabei. Sei nicht so ungeduldig, der Fall läuft dir nicht weg.
- Die Menschenspuren sind viel zu alt, sie werden von den neuen überlagert. Die alte Witterung ist verflogen oder wird überdeckt, es sind hier zu viele Polizisten herumgelaufen, um Spuren zu verwischen.
»Zu sichern«, korrigierte Robin automatisch.
Zu verwischen - so daß ich sie nicht mehr lesen kann, beharrte der Wolf. Aber da ist eine Spur, und die ist nicht überlagert oder verwischt - genauso wenig wie meine eigene Fährte… na, sagen wir lieber, wie die meines rätselhaften Doppelgängers.
»Weiter«, drängte nun auch Zamorra. »Was ist das für eine Fährte?«
Sie gehört - einem Werwolf!
***
Werwolf…
Das Wort hing in der Luft und in den Gedanken der Menschen wie
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