0587 - Mumien in Moskau
hineingeschlagen. Eine Treppe, die trotz Steinstufen brüchig aussah und sich mit einer Linksdrehung in die Tiefe schob, wo sie in der dichten Finsternis verschwand.
»Haben die Mönche hier früher gelebt?« fragte Suko flüsternd.
»Keine Ahnung. Ich kann mir eher vorstellen, daß sie diesen Teil als Keller benutzten.«
»Der sieht mir eher aus wie ein Gefängnis.«
»Das kann auch hinkommen.«
Zu hören war nichts. Aber Suko spürte das Gefühl, das ihn überkommen hatte. Es lauerte in seinem Innern eine gewisse Spannung.
Möglicherweise sogar das Wissen um ein großes Geheimnis.
Wladimir nickte. Sein Gesichtsausdruck zeigte an, daß ihm nicht sehr wohl war. »Dann wollen wir mal.«
Suko hatte die kleine Lampe bereits hervorgeholt. Er machte auch den Anfang. Sicherheitshalber durch einen Druck seines Fußes die Festigkeit des Gesteins prüfend.
Die Stufe blieb hart. Kein Knirschen, Kratzen oder Reißen erklang.
Wenn die anderen auch so waren, konnten sie die Treppe nehmen.
Der Lampenstrahl fuhr wie ein tastender Finger über das graue Gestein, in dessen Ritzen es feucht schimmerte.
Sogar Spinnweben hatten sich gebildet. Kleine Tropfen hingen an den Fäden wie Perlen.
Von den Mitarbeitern des Hotels hörten und sahen sie nichts.
Wenn die Männer sich tatsächlich tief in dieser Unterwelt befanden, hatten sie sich auch weit zurückgezogen.
»Ich weiß nicht, wie groß dieser Höhlenkomplex ist«, sagte der KGB-Mann. »Damals haben die Mönche bauen können, wie sie wollten, und sie hatten oft genug weite Gebiete unter der Erde in Anspruch genommen.«
»Wir werden sehen.«
Wladimir lachte leise. Er konnte das Paradoxe nicht fassen. Auf der einen Seite die große Modenschau mit all ihrem modernen Touch und auf der anderen dieses uralte Gemäuer, tief eingeschlagen in den Felsen unter der Erde.
Suko blieb plötzlich stehen. Er hatte ungefähr die Mitte der Treppe erreicht und löschte auch die Lampe. Bevor Wladimir eine Frage stellen konnte, sah er es selbst.
Aus der Tiefe und der Finsternis drang etwas zu ihnen hoch. Ein rotes Leuchten, ein etwas unheimlich wirkender Schein, als würde dort ein Auge Licht abstrahlen.
»Jetzt bin ich ganz von der Rolle!« flüsterte er.
»Keine Erklärung?« fragte Suko.
»Nein.«
»Wir werden uns das mal anschauen.« Er setzte seinen Weg fort, ohne die Lampe zu gebrauchen, denn die Treppe endete bereits nach wenigen Stufen. Das Zentrum des Lichts lag direkt vor ihnen.
»Das ist doch… das gibt es nicht«, hauchte der Russe. »Kannst du das begreifen?«
Suko enthielt sich eines Kommentars. Auch für ihn war der Anblick überraschend gekommen.
Vor ihnen lag, eingepackt in einer flachen Mulde, ein roter See.
Eine lavaähnliche Flüssigkeit, sehr zäh und rot.
In der Flüssigkeit bewegte sich etwas. Von unten her stieg es hoch in das Zentrum hinein, wo die Farbe besonders intensiv leuchtete.
Zu den Rändern hin flachte sie ab und bekam einen Stich ins Gelbliche.
Die beiden Männer traten vorsichtig näher. Um die Mulde herum lauerte die Dunkelheit. Die Mulde war das Zentrum und sie bewegte sich stärker, als in der Tiefe etwas geschah.
Dort mußte eine unheimliche Kraft lauern, die möglicherweise nicht von dieser Welt stammte. Eine sehr mächtige Kraft, die genügend Einfluß auf Menschen besaß, um sie herzulocken. Golenkow sprach davon und wunderte sich darüber, was die Mitarbeiter da unten gewollt hatten. »Kannst du dir vorstellen, daß sie…?«
»Da!« sagte Suko nur.
Auch Golenkow sprach nicht mehr weiter, denn sein Blick wurde wie von einem Magneten angezogen. Es war allein die Mitte dieser Mulde interessant, das dunkle Rot, das von innen her einen Schatten bekommen hatte, der immer höher stieg und die Oberfläche erreichte.
Er stieß hindurch!
»Nein!« ächzte der Russe.
Da war er, das war das Wesen, da war…
»Ein Mensch!« flüsterte Golenkow.
»Und ein zweiter!« sagte Suko.
Wieder wurde ein Toter aus der Tiefe an die Oberfläche gedrückt.
Beide Körper schwangen herum, so daß sie auf dem Rücken lagen und von der Flüssigkeit getragen wurden.
Die Gesichter waren beiden unbekannt, doch sie konnten sich vorstellen, daß es sich bei ihnen um die Angestellten aus dem Hotel handelte. In der Flüssigkeit sahen die Gesichter aus, als wären sie mit einer Tinktur angepinselt worden. Weit standen die Augen offen, die Münder ebenfalls. Kein Zweifel, sie waren tot.
Suko und Golenkow waren bis dicht an den Rand herangetreten.
Vielleicht
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