0588 - Das Ding aus dem Koffer
sterben, hieß es.«
»Was wissen Sie sonst noch?«
Sie lachte mich an. »Was ich sonst noch weiß? Verdammt noch mal, was soll ich denn wissen? Das ist alles schlimm genug. Der eigene Ehemann wird zum Monster…«
»Nicht grundlos«, warf Suko ein. »Hat er irgendein Erlebnis gehabt, das ihn auf diesen Weg gebracht hat?«
»Das weiß ich doch nicht. Glauben Sie denn, der hätte mit mir darüber gesprochen?«
»Sie waren zumindest seine Frau.«
»Hören Sie auf, Inspektor! Jeder von uns ging seinen Weg. Es ist nicht meine Schuld, dass alles so kam.«
»Das sicherlich nicht, aber Sie müssen ihn doch gefragt haben.«
»Ich bekam keine Antwort.« Sie wandte sich wieder an mich.
»Wie ist er überhaupt gestorben?«
»Er fiel von der Feuerleiter.«
Da lachte Mary Quinn. »Halten Sie mich nicht für gefühlskalt, aber diesen Tod gönne ich ihm. Ja, ich gönne ihm dieses Ende. Ich habe ihn einfach gehasst, ich mochte ihn nicht. Ich…«
»Schon gut, das ist vorbei. Versuchen Sie sich an etwas zu erinnern. Kleinigkeiten sind wichtig.«
»Wie meinen Sie das, Mr. Sinclair?«
»Er hat zwar nicht über seine Probleme geredet, wie Sie sagten, möglicherweise hat er aber einige Bemerkungen fallen lassen, die wichtig für uns sein könnten.«
»Was wollen Sie denn? Er ist tot, damit sind die Probleme aus der Welt geschafft.«
»Für Sie vielleicht, Mrs. Quinn, für mich oder für uns fangen sie erst an. Wir müssen dem Leben Ihres Mannes nachgehen. Wir müssen versuchen, seinen Tod aufzuklären.«
Sie wollte etwas erwidern, hatte schon den Mund geöffnet, stockte dann, denn aus dem Flur hörten wir Schritte, dann riss jemand die Tür auf. Ein Mann in einer Lederjacke stand auf der Schwelle.
Darunter trug er ein schmutziges Unterhemd. Sein grauer Stoppelbart bedeckte die untere Gesichtshälfte. Eine Ginfahne wehte in das Zimmer.
»He, Mary, da unten im Hof liegt dein Alter und rührt sich nicht mehr. Geh mal hin.«
»Ich weiß.«
»Und wenn er eingeht?«
»Der ist bereits eingegangen, und jetzt hau ab, Sloane! Hau endlich ab, Mann!«
Sloane grinste in den Raum hinein. Er sah uns und nickte.
»Scheinst dich rasch getröstet zu haben, Mary. Alle Achtung und gleich mit zwei Typen. Stark.«
Mary griff nach einer alten Zuckerdose ohne Deckel. Bevor sie den Gegenstand werfen konnte, hatte Sloane die Tür schon geschlossen und polterte davon.
»Ein Arsch ist das!« zischte sie. »Dem gönne ich auch einen Trip ins Jenseits.«
»Die Nachbarschaft scheint nicht die beste gewesen zu sein.«
»War sie nicht, ist sie nicht, wird sie nie werden. Sehen Sie sich um. Wer haust denn hier? Das sind kaputte Typen wie wir. Nein, nein, ich sage Ihnen, das ist alles ein Elend. Jetzt, wo mein Alter nicht mehr ist, kann ich vielleicht aus diesem Teufelskreis rauskommen, aber dazu braucht man Kraft, verdammt viel Kraft.« Sie vollführte dabei Handbewegungen, als wollte sie etwas kappen. Wahrscheinlich ihr früheres Leben. Dann lächelte sie grantig. »Sie glauben mir nicht, oder?«
Ich hob die Schultern. »Man muss Prioritäten setzen, auch wir sind dazu gezwungen. Uns interessiert Ihr Mann, sein Leben.«
»Das war mehr als bescheiden.«
»Klar.« Diesmal sprach Suko. »Dennoch muss er auf etwas gestoßen sein, das ihn dermaßen verändert hat.«
»Ich weiß es nicht.«
»Moment mal, Mrs. Quinn«, sagte ich, »da ist noch etwas, das ich Sie fragen wollte. Kurz bevor Ihr Mann starb, hat er mit mir gesprochen. Er sagte nur das Wort Koffer…«
»Mehr nicht?«
»Nein.«
»Was soll ich denn damit anfangen?«
»Nun, für Ihren Mann schien es wichtig zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass er sich damit genauer beschäftigt hat. Ihnen sagt der Begriff Koffer nichts?«
»Nur verreisen.«
»Das lassen wir mal außer acht, Mrs. Quinn. Damit hat Ihr Mann bestimmt nichts zu tun gehabt.«
»Nein, er hat nur davon geträumt.«
»Welche Bedeutung könnte das Wort Koffer noch gehabt haben? Da muss etwas gewesen sein, das ihn beschäftigt hat.«
»Ja, bestimmt, nur kann ich Ihnen nicht helfen. Fragen Sie mal auf seiner Arbeitsstelle nach. Er hat im Eastend Pfandhaus gearbeitet. Das ist das größte in London. Da gibt es auch viele Koffer.«
Suko und ich schauten uns an. Sie hatte recht, obwohl sie den Tipp bestimmt nicht bewusst gegeben hatte. Ich stand auf. »Wir danken Ihnen, Mrs. Quinn.«
»Ich bedanke mich bei Ihnen. Für mich fängt jetzt ein neues Leben an, glaube ich.«
»Ich wünsche es Ihnen.«
»Und danke für die
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