0588 - Das Ding aus dem Koffer
Zigaretten«, sagte sie, als wir zur Tür gingen.
»Meinen Mann brauche ich nicht mehr zu sehen oder?«
»Nein.«
»Das ist gut.«
Im Treppenflur schüttelte Suko den Kopf. »Eine seltsame Frau, John.«
Ich hob die Schultern. »Wer weiß, was sie alles durchgemacht hat. Richten möchte ich nicht über sie.«
»Das hatte ich damit auch nicht gemeint.«
In der Nähe wurde eine Tür geöffnet. Zwei Männer leicht angetrunken verließen die Wohnung und drängten sich an uns vorbei.
Sie stanken wie eine Destille. In einem Haus wie diesem begegnete man dem Elend auf Schritt und Tritt.
Im Hof blieb ich neben dem Toten stehen, während Suko die Kollegen der Mordkommission alarmierte. Als sie eintrafen, erwachte auch die Umgebung. Plötzlich sahen wir, wer alles nicht schlief. Die Männer der Nachtschicht erledigten ihre Arbeit murrend, bevor sie uns einige Fragen stellten und ein Protokoll anfertigten.
Es war schon nach fünf Uhr, der Tag graute bereits, als auch wir nach Hause fuhren. Oben vor der Tür fragte Suko mich: »Wie sieht es aus? Wann finde ich dich im Büro?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls haue ich mich jetzt aufs Ohr. Um den Koffer kümmern wir uns später.«
»Das meine ich auch…«
***
Schon am frühen Morgen stand die Sonne so warm am Himmel, dass sich Helen Taylor entschloss, leichte und luftige Kleidung überzustreifen. Der Tag würde hart genug werden.
Sie entschied sich für einen gelben Rock, der weit geschnitten war, und für einen leichten Polo-Pullover, dessen Blumenmuster eine bunte Farbpalette auf dem schwarzen Untergrund aufwies.
Das dunkelblonde Haar hatte sie zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden.
Einen Tupfer Schminke auf die beiden Wangen, etwas Rouge darauf, leicht die Augenbrauen nachgezogen, die Lippen etwas kräftiger geschminkt, fertig war das Make-up.
Helens Frühstück bestand aus einer Tasse Tee und einer halben Scheibe Toast, die sie mit fettarmem Joghurt bestrich. Dann ließ sie die Rollos herunter. Sie wollte nicht am Abend in eine Bruthöhle zurückkehren.
Helen war jetzt neunundzwanzig, hatte eine Ehe hinter sich und fühlte sich als Single noch wohl, obgleich sie in zwei Monaten dreißig wurde, und diese Zahl stand manchmal wie eine Drohung vor ihr. Aber das ließ sich eben nicht ändern. Noch wollte sie das Leben genießen, und Chancen hatte sie genug, auch wenn sie nicht so aussah wie ein Filmsternchen. Aber Helen gehörte zu den Menschen, die eine Brille gut tragen konnten. Das Gestell fiel kaum auf. Hinter den Gläsern wirkten die blauen Augen noch größer, als sie ohnehin schon waren.
Ein letzter Blick durch die Wohnung, alles war okay, dann schnappte sie ihre Tasche und nahm sicherheitshalber noch die dünne schwarze Jacke mit auf den Weg.
So verließ sie ihre Wohnung. Mit dem Lift fuhr sie nach unten. In London mit dem eigenen Wagen zu fahren grenzt schon an Masochismus. Helen Taylor machte es wie Tausende anderer Londoner auch. Sie nahm die U-Bahn.
Natürlich war auch die voll. Daran hatte sie sich gewöhnt, ebenso wie an die stoischen Gesichter ihrer Mitreisenden, die sich festhielten, dabei noch Zeitung lasen und die Stöße und Püffe routiniert ausglichen. Helen überlegte. Sie wusste schon, wie der Tag ablaufen würde. Man hatte von Seiten des Pfandhauses eine große Versteigerung angesetzt. Durch die zuvor gemachte Reklame würden sicherlich Hunderte von Besuchern kommen und mitsteigern.
An diesen Tagen herrschte bei Helen Stress hoch vier. Sie war die rechte Hand des Leihhaus-Chefs und hatte für den gesamten Vorbereitungskram aufzukommen. Das Erstellen der Listen, das Heraussuchen der Gegenstände, die Kontrolle, die spätere Abrechnung, all diese Dinge liefen über ihren Schreibtisch.
Die Versteigerung war für zehn Uhr morgens festgesetzt. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie sich bis in den späten Nachmittag hinziehen konnte. Danach musste sie zusammen mit Mr. Denkford abrechnen, dann war es Abend, bevor sie erschöpft nach Hause fahren würde.
Was nicht versteigert wurde, bot man am nächsten Tag bei der zweiten Versteigerung noch einmal an. War alles vorbei, war Ruhe für drei Monate, die man auch als relativ ansehen konnte, denn schon einen Tag später würden die Vorbereitungen für die neue Versteigerung beginnen.
Zwischen beiden Terminen allerdings lag noch ihr Urlaub. Den würde sie nicht verschieben, sie hatte bereits für Kreta gebucht und freute sich wahnsinnig darauf.
Das Pfandhaus lag in Whitechapel, diesem alten,
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