0591 - Engel der Geister
zusammen, bis ihm auffiel, dass es von der Tür herkam und so etwas wie eine Aufforderung war.
Suko drückte die Tür auf. Ein kurzes Antippen reichte bereits, dann konnte er den Raum betreten, in dem sich die Helligkeit vornehm zurückhielt. Es lag an den bis zum Boden reichenden Vorhängen. Da sickerte kaum Licht durch.
Suko ging sofort von der Tür weg und baute sich mit dem Rücken zur Wand auf. Seine Hand befand sich nahe der Beretta.
Wenn nötig, konnte er sie blitzschnell ziehen und schießen.
Das brauchte er nicht. Ihm drohte keine äußerliche Gefahr, obgleich Suko den Eindruck hatte, nicht allein in dem Raum zu sein.
Irgendwo musste jemand lauern.
Suko sah die Umrisse von drei Fenstern. Rechts von seinem Standort zeichnete sich ein Schreibtisch ab. Sehr wuchtig. Suko glaubte auch zwei Stühle zu sehen. Einer hinter dem Schreibtisch, der andere stand in einem ziemlich großen Abstand davor.
Wo befand sich die Person, die ihm die Tür geöffnet hatte? Im Raum? Oder beobachtete sie ihn von außerhalb?
»Bleiben Sie dort stehen, wo Sie sind!« vernahm er plötzlich die sonore und tiefe Stimme eines Mannes. Den Sprecher hatte er immer noch nicht entdeckt. Er musste sich in dem Raum aufhalten, denn seine Stimme war nicht über Lautsprecher gekommen.
»Ja, ich warte, Mr. Unbekannt. Nur lassen Sie sich nicht zuviel Zeit, die habe ich auch nicht.«
»Das versteht sich.«
Die Antwort verklang, dann hörte Suko Schritte. Von der rechten Seite her, weit hinter dem Schreibtisch, klangen sie auf, und zwar dort, wo keine Helligkeit mehr hindrang. Die Gestalt bewegte sich innerhalb der Düsternis, erreichte den Schreibtisch und zog dort den Stuhl etwas vor, weil sie sich setzen sollte. Dabei schabten die Beine über den Steinfußboden.
Der Mann setzte sich. Suko ging davon aus, dass es sich um Dr. Franklin handelte. Noch war er nur schattenhaft zu erkennen. Er bewegte den rechten Arm und drückte mit dem Finger auf einen kleinen Schalter. Eine Lampe spendete Licht.
Es war eine Schreibtischleuchte mit einem Metallständer. Als Schirm diente ein breiter Zylinder, schwarz und weiß gefärbt, so dass die Lichtmenge in eine bestimmte Richtung geleitet wurde. Es war ein kaltes Licht, aber es passte zu dieser grauen Dunkelheit, und es erhellte nur einen bestimmten Ausschnitt der Schreibtischplatte.
Allerdings fielen Streifen auch gegen das Gesicht des Mannes hinter dem Schreibtisch. Suko hatte den Eindruck, als würde die Helligkeit vom dunklen Bart aufgesaugt, der die untere Gesichtshälfte umgab. Ebenso dunkel war das Haar. Heller dagegen die Gläser der Brille, auf denen sich das Licht brach.
Der Mann saß da, ohne sich zu rühren. Er schaute Suko nur an, bis er nickte. »Sie sind Asiate?«
»Chinese.«
»Gut. Und was hat Sie zu mir geführt?«
»Ein Kollege ist verschwunden.«
»Soll ich damit etwas zu tun haben?« Dr. Franklin breitete die Arme aus und tat unschuldig.
»Das glaube ich schon, Mister.«
Der Mann nickte. »Wollen Sie mir das nicht näher erklären?«
»Das ist Ihre Sache. Ich will wissen, was Sie mit John Sinclair gemacht haben.« Während der Worte trat Suko langsam vor. Franklin blieb ruhig sitzen. Er ließ sich nicht irritieren.
Als Suko seinen Schritt stoppte, nickte er. »In der Tat, Sie haben recht, Mister. Es gibt diesen John Sinclair, und er war sogar bei mir. Stellen Sie sich das vor. Aber jetzt ist er nicht mehr da. Er ging weg, einfach so.«
Suko beugte sich vor, lächelte, stemmte seine Handflächen auf die Schreibtischkante und nickte. »Ja, er ging weg. Aber nicht so, wie er gekommen war, Doktor.«
»Da haben Sie recht. Ich nahm bei ihm einen Seelentausch vor. Er kam als John Sinclair und ging als Ritter Tod. Sein Pech, dass gerade er Ritter Tod wurde, es hätte auch einen anderen erwischen können, glauben Sie mir.«
»Ich bedanke mich für Ihre Offenheit«, sagte Suko mit falscher Freundlichkeit. »Nur hätte ich gern mehr von Ihnen gewusst. Über Johns Vorhaben, zum Beispiel.«
Franklin lächelte. »Haben Sie ihn zufällig gesehen?«
»Allerdings.«
»Dann kann ich mir große Erklärungen, ersparen.« Franklin flüsterte mehr. »Ich habe dafür gesorgt, dass er zu einem anderen wird. Die Seele eines Verstorbenen ist in seinen Körper eingedrungen und hat Besitz von ihm genommen. Es fand ein Austausch der Persönlichkeiten statt. Sehr simpel im Prinzip, aber gleichzeitig genial. So ist das immer bei den einfachen Dingen.«
Suko nickte. »Sehr gut, wirklich. Nur
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