0592 - Die Wächter der Verfluchten
etwas erblicken. Außerdem werden wir uns durch Wald bewegen müssen, den wir in seiner Ausdehnung und Dichte noch gar nicht kennen. Wir könnten einen Brand verursachen oder schlafende Tiere aufschrecken.«
»Wir sollen also im Dunkeln durch den Wald stolpern? Meint Ihr das, Mijnheer?«
»Nicht stolpern, sondern gehen«, verbesserte van Dyke. »Also los, meine Herren. Bewaffnen wir uns mit dem Werkzeug und suchen nach dem Ausgangspunkt dieses Erdbebens…«
Wenig später waren sie unterwegs. Wie selbstverständlich hatte Heeremaas van Dyke den Vortritt gelassen, während Jos wiederum hinter dem Kapitän blieb.
Zunächst verließen sie das Dorf über den breiten festgetrampelten Weg, über den die Eingeborenen sie am Tage hierhergeleitet hatten. Immer wieder versuchte sich van Dyke zu orientieren. Schließlich wurde ihm die Richtung klar, aus der das Stampfen und Beben kam.
Sie brauchten sich nicht mal durch dichtes Unterholz zu kämpfen, sie konnten einen verschlungenen Pfad benutzen, der durch den Mischwald führte.
Einmal wollte sich eine erschreckte Schlange auf die Männer herabfallen lassen, aber ein Instinkt warnte van Dyke, und er schlug mit dem flachen Ende der Axt nach der Schlange, noch während sie fiel, schleuderte sie mit einem Hieb ins Gesträuch.
Warum hätte er das Tier auch töten sollen? Es hatte ja nur Angst!
Je weiter sie vordrangen, desto lauter wurde das Stampfen. Das Dröhnen wurde immer stärker. Van Dykes Bauchdecke begann bereits, mitzuvibrieren.
Da war Lichtschein vor ihnen zu sehen.
»Vorsichtig jetzt«, flüsterte der Reeder. »Ich glaube, es ist besser, wenn uns niemand entdeckt.«
Sie pirschten sich näher an ein Geschehen heran, das geradezu unglaublich war!
***
Der Wald endete hier. Vor den drei Männern erstreckte sich eine weite, freie Fläche. Feuer brannten überall, ihr flackernder Schein warf bizarre Schatten über ein Geschehen, das noch viel bizarrer war Menschen tanzten.
Sie mußten sich in einem ekstatischen Zustand befinden, in dem sie nicht mehr wahrnahmen, was sich um sie herum tat. Männer und Frauen jeden Alters bewegten sich auf der Grasfläche zwischen den Feuern zu den Klängen einer unhörbaren Musik.
Aber die Menschen waren es natürlich nicht, die das dumpfe Dröhnen und Vibrieren hervorriefen.
Sie bewegten sich völlig stumm. Die einzigen Geräusche, die sie hervorriefen, waren ihr keuchender Atem und ihre Schritte.
Niemand sang, niemand musizierte, und doch bewegten sich alle in einem gleichmäßigen Rhythmus.
Das Stampfen kam von - den steinernen Köpfen!
Wie viele es waren, das konnten die drei Beobachter nicht einmal ansatzweise schätzen. Ständig veränderten die Köpfe ihre Position.
Auch sie tanzten, es mußten viele Dutzende sein, weit über hundert bestimmt!
Jede ihrer Bewegungen ließ den Boden erzittern.
»Das - das glaubt uns kein Mensch!« keuchte Heeremaas entsetzt. »Steine, die tanzen? Das ist Teufelswerk!«
Van Dyke konnte ihn gerade noch daran hindern, aufzuspringen und davonzurennen.
Denn er hatte noch etwas entdeckt.
Oder besser gesagt - jemanden!
Einen Mann nämlich, und der tanzte nicht mit!
Er stand völlig unbeweglich zwischen den Tänzern, ließ sich weder von ihnen noch von den Steinkolossen irritieren. Der eigenartige Rhythmus, dem alle anderen verfallen waren, berührte ihn nicht.
Im Feuerschein leuchteten seine Augen wie Diamanten.
Und er sah unverwandt zu den drei Männern hinüber, die im hohen Gras lagen und das gespenstische, unheimliche Treiben beobachteten!
Van Dyke hatte diesen alten Mann vorher nicht im Dorf gesehen.
Das bedeutete aber nicht, daß er nicht da gewesen war. Vielleicht war er nur in einer der Hütten geblieben, oder er hatte sich dort aufgehalten, wohin auch die anderen Bewohner des Dorfes zwischendurch verschwunden waren.
Und dieser Mann war wichtig. Er war vielleicht der wichtigste von allen.
Van Dyke spürte, daß von dem Alten etwas Beherrschendes ausging. Etwas Zwingendes, dem er sich kaum widersetzen konnte und das ihm…
Gewaltsam riß er sich von dem Anblick los.
Aber er sah, wie Jos mit den Fingern den Takt, nach dem die Menschen und Steinkolosse tanzten, auf den Grasboden trommelte.
»Jos!« rief van Dyke leise. »He - aufgepaßt!«
Der Angesprochene zuckte zusammen. »Was - was ist?«
»Du warst drauf und dran, einem Bann zu verfallen«, erklärte van Dyke.
»Wir… wir sollten weg von hier«, flüsterte Jos. »Weg von Dorf. Am besten weg von ganze Insel.
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