0594 - Die Sterbenden von Talos
hinter ihm. »Ich denke, ich kaufe sie doch. Für einen halben Sack Kartoffeln.«
Der Bärtige drehte sich herum - und zielte jetzt auf die Frau, die zurückgekehrt war. Der Mann mit dem Akzent stand grinsend hinter ihr.
»Wie weit willst du den Preis noch senken, eh?« knurrte der Bärtige.
»Du solltest darauf eingehen. So verdient ihr wenigstens etwas. Bringst du sie um, habt ihr überhaupt nichts davon. Denk nach.«
»Akzeptiert«, sagte der Akzentbehaftete.
»Nicht ganz«, sagte der Bärtige. »Den halben Sack Kartoffeln und eine Nacht mit dir, Zanita.«
Sie lachte spöttisch auf. »Mit dir? Du bist doch schon fast tot!«
»Und du ganz!« brüllte der Bärtige zornig - und schoß sie nieder!
Carlotta wollte vor Entsetzen schreien, aber sie konnte es nicht. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
Sie konnte nicht einmal mehr klar denken.
»Du bist ein Narr, Bent«, brummte der Mann mit dem Akzent. »Sie war noch fast gesund. Sie hätte zumindest noch anderen Freude bereiten können.«
»Sie hat mich beleidigt.«
»Nun gut. Da sie tot ist, können wir die da«, der Akzentträger wies auf Carlotta, »ja weiterleben lassen.«
»Das finde ich auch«, sagte eine weitere Männerstimme.
Die beiden fuhren herum.
Carlotta glaubte einen Schatten in der Dunkelheit hinter ihnen zu sehen, aber sie war nicht sicher.
Doch im nächsten Moment blitzte es grell auf. Das seltsame Fauchen erklang wieder.
Leuchtendes Schwarz erfaßte die beiden Männer, hüllte sie sekundenlang ein - und als es erlosch, waren die beiden tot.
Der Schatten trat aus der Dunkelheit lautlos auf Carlotta zu…
***
Das Entsetzen blieb.
Erschrecken über die ungeheure Schnelligkeit, mit der in dieser Welt getötet wurde. Furcht vor dem Schatten, der sich lautlos näherte. Und vor dem, was sie gehört hatte und sich aus dem Gehörten zusammenreimte.
Ein Menschenleben galt hier kaum etwas.
... Seit Merlins Burg vernichtet wurde... Meeghs...
Merlins Burg vernichtet? Wie konnte das geschehen sein? Warum hatte Ted nichts davon gewußt? Und Zamorra? Sie hätten es einander bestimmt nicht verschwiegen, und auch Carlotta hätte davon erfahren.
Und die Meeghs…
Carlotta hatte die anderen einmal davon reden gehört. Von jenen grauenhaften, unbegreiflichen Wesen mit ihren Raumschiffen, die fast immer im Schutz ihrer schwarzen Abschirmfelder flogen. Wenn sie sie einmal abschalteten, war kein Mensch in der Lage, sie zu betrachten, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Der Anblick dieser aberwitzigen Konstruktionen rief unweigerlich Wahnsinn hervor…
Die Meeghs gab es nicht mehr. Vor vielen Jahren waren sie ausgelöscht worden, diese unerbittlichen Diener der MÄCHTIGEN. Nur die Erinnerung war geblieben an die ungeheuerliche Bedrohung, die sie einmal dargestellt hatten.
Und wenn sie sich außerhalb ihrer Raumschiffe, ihrer Spider, zeigten, dann sahen sie aus wie aufrechtgehende Schatten…
Das war es also, was Carlotta vor ihrer Gefangennahme gesehen hatte und was ihr auch jetzt entgegenkam: ein Meegh!
Er hatte die beiden Männer getötet. Und Carlotta wußte, daß auch sie nichts Gutes von ihm zu erwarten hatte.
Die Meeghs waren Todfeinde der Menschen gewesen. Daran hatte sich bis heute sicher nichts geändert.
Wie auch immer es diesem hier gelungen sein mochte, die damalige Vernichtung, ausgelöst durch die Goldene aus der Geisterstadt, zu überstehen… [4]
Carlotta war verloren.
Stumm vor Entsetzen kroch sie neben ihrem Lager in sich zusammen, wagte nicht, den Schatten anzusehen, der ihr mit langsamen Schritten entgegen trat…
Dann fiel seine Dunkelheit endgültig über sie.
Eine Hand packte zu, zerrte sie vom Boden hoch und…
***
Der junge Mann, den sie den Propheten nannten, hatte nicht sonderlich viel Geduld. Er hatte damit gerechnet, daß die Halunken, die das schwarzhaarige Mädchen entführt hatten, bald zurückkamen. Sie mußten wissen, daß sie nur einen Meegh erwischt hatten, daß noch jemand hier war. Und sie mußten doch darauf brennen, den Tod ihres Komplizen zu rächen.
Ihresgleichen gaben sich nie damit zufrieden, für einen eigenen Toten nur einen ihrer Gegner niederzumachen. Sie waren blutrünstiger als jene, gegen die sie kämpften, solange Jon Thorndike zurückdenken konnte.
Er hatte sein ganzes Leben lang nichts anderes erlebt.
Nur den Haß - das Töten, das Getötetwerden.
Und das allgemeine Sterben, das sich mit der Zeit immer mehr beschleunigte.
Sie sterben, weil sie sich selbst aufgegeben haben, dachte der
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