0595 - Radio-Grauen
Gruselzeit.«
»Mal sehen, wie sich alles entwickelt.«
Max war mißtrauisch geworden. »Es hört sich an, als wüßten Sie mehr, Mr. Sinclair.«
»Das stimmt nicht, überhaupt nicht. Aber ich habe meine Ahnungen. Dieser Ort steht unter einer Kontrolle. Was hier geschieht oder daß überhaupt nichts geschieht, ist nicht normal. Hier läuft etwas. Ich könnte mir vorstellen, daß das Radio-Grauen bereits begonnen hat. Möglicherweise hat das Jenseits die Kontrolle übernommen. Jedenfalls sollten wir damit rechnen, Max.«
»Sie können einem ja direkt Angst einjagen.«
»Klar, Sie sollen wachsam sein.« Ich schlug ihm auf die Schulter.
»Kommen Sie, ich möchte mir Ihren Arbeitsplatz gern einmal aus der Nähe anschauen.«
Zunächst einmal mußten wir den Park durchqueren. Er war relativ groß, und die meiste Fläche wurde von einem hellgrünen Rasen eingenommen, auf dem mächtige Laubbäume wuchsen, die dem Mauerwerk einen guten Sonnenschutz gaben.
Um die alte Villa war ein breiter Glaseingang gebaut worden. Er wirkte sogar repräsentativ. Ein Parkplatz war auch vorhanden.
Einige Fahrzeuge standen dort.
»Sieht ruhig aus«, bemerkte ich, »ist das immer so?«
Max schüttelte den Kopf und schaute auf den Recorder, den er aus Sukos Wagen mitgenommen hatte. »Nein, ich habe hier auch mehr Hektik erlebt.«
Als er von mir nichts mehr hörte, hielt er mich durch einen Griff auf die Schulter dicht vor dem Eingang zurück. »Meinen Sie denn, daß andere die Kontrolle übernommen haben?«
»Das werden wir gleich feststellen.«
Er räusperte sich. »Um – Himmels willen, dann würde das Radio-Grauen zu einer furchtbaren Wahrheit werden.«
Wenigstens schwang die Glastür zurück, als wir das Gebäude betreten wollten. Ein breiter Flur nahm uns auf. Ich schaute mich blitzschnell um.
Es gab einen Empfang, vom Flur durch eine Glasscheibe getrennt.
Dahinter saß ein dunkelhäutiger Mitarbeiter. Hinweistafeln klärten den Besucher darüber auf, wo die verschiedenen Studios und Verwaltungsräume zu finden waren.
Über allem schwebte eine unnatürliche Ruhe. Ich war nicht zum erstenmal bei einem Sender zu Besuch und so etwas nicht gewohnt.
Nein, ich hatte in London immer die Hektik erlebt, da war Action, da vibrierte es, man spürte es genau.
Hier kam mir der Vergleich mit einem Grab in den Sinn.
Max Schreiber war an der Empfangsloge stehengeblieben und sprach mich mit zitternder Stimme an. »Kommen Sie doch mal, bitte. Das müssen Sie sehen.«
Ich ging hin. Er deutete auf den dunkelhäutigen Mann, der auf seinem Stuhl hockte und aussah, als wäre er eingeschlafen. »Empfinden Sie das als normal?«
»Bestimmt nicht.«
»Ich auch nicht. Das ist Uncle Tom. Er… er schläft sonst nie, denn er ist derjenige, der fast immer auf dem Posten ist. Das habe ich noch nie bei ihm erlebt.«
»Wollen Sie ihn wecken?«
»Nein, das müssen Sie machen.«
»Okay.« Ich ging um die Loge herum und fand eine Seitentür, die nicht verschlossen war.
Der Mann, der Uncle Tom genannt wurde, rührte sich nicht vom Fleck. Selbst sein Atem war nicht zu hören. Im ersten Moment bekam ich einen Schreck, untersuchte ihn und war froh, daß er lebte.
Er befand sich nur in einem Zustand, der einem Koma ähnlich kam.
Ich faßte ihn an und drückte ihn auf dem Stuhl zurück.
Er fiel nach hinten, die Rückenlehne hielt ihn auf. Mich interessierte besonders sein Gesicht, in dem die Augen nicht geschlossen waren. Wegen der dunklen Haut wirkten die grauen Pupillen heller, als sie es eigentlich waren.
Max war mir gefolgt. »Den bekommen Sie nicht wach«, hauchte er. »Der steht unter einem anderen Einfluß.«
»Da könnten Sie recht haben.«
»Was sollen wir machen?«
Ich lächelte, als ich auf das Radio deutete. »Stellen Sie es mal ein. Meist ist in den Funkhäusern der eigene Sender eingeschaltet, da wird Uncle Tom sicherlich keine Ausnahme machen.«
Der Apparat stand neben dem Informationsdeck, eine schräg gebaute Schalttafel mit zahlreichen Knöpfen und Hebeln. Max Schreiber legte den Finger auf die Taste, drückte noch nicht. Er schaute auf die Uhr. »Jetzt läuft eine Info-Sendung aus der Region. Da können Menschen ihre Meinungen und Kommentare abgeben, was kommunalpolitische Ereignisse angeht.«
»Dann los.«
Max Schreiber schaltete das Radio ein. Er erwartete die normale Sendung, ich nicht, und ich hatte recht.
Etwas völlig anderes drang aus dem Lautsprecher. Im ersten Augenblick hörte es sich an wie ein leises, sehr weit
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