0596 - Feuer-Furie
Handflächen gegen die Lippen. Seine Augen wirkten dabei wie große Flecken, die sich mit einer Flüssigkeit gefüllt hatten.
»Was ist?« sprach ich ihn an.
Seine Hand sank langsam nach unten. Selbst ein Mann mit diesem Beruf konnte entsetzt sein und gab sich auch keine Mühe, dieses Entsetzen zu verbergen.
»Ich… ich kenne ihn. Es war Mouth, verstehen Sie, Mouth? Der Mann, der hier mit Dimitri angestellt war. Die … die beiden sind uns ja begegnet. Jemand muß Mouth auf die Plattform und den Rost geworfen haben. Aber ich verstehe es nicht …«
Obwohl es mich Überwindung kostete, schaute ich noch einmal zurück und durch die Scheibe.
Dort flackerte nichts mehr. Doch zwischen den Stäben rieselte etwas zu Boden.
Dunkle Asche…
Ich atmete durch die Nase ein und hatte selbst das Gefühl, Verbranntes zu riechen. Mein Blick war ins Leere gerichtet, auf meiner Haut lag eine zweite, und ich hörte, wie Ingram mit schluchzender Stimme sagte: »Wir werden als nächste an der Reihe sein. Verdammt, wir sind ebenfalls dran. So etwas spürt man.«
Ich hielt mich mit meiner Meinung zurück. Auch Suko hatte nur ein Schulterzucken übrig.
»Wir sollten es probieren, Suko«, sagte ich leise.
»Okay.«
Ingram schoben wir zur Seite. Er lehnte sich gegen die kalte Wand und blickte ins Leere.
Wieder zählte mein Freund. Bei der Zahl drei starteten wir. In solchen Dingen hatten wir Routine, waren wir gut eingespielt. Die Distanz bis zur Tür schafften wir leicht, stießen uns dicht davor ab und prallten gemeinsam und mit den Schultern dagegen.
Ich hatte Mühe, einen Laut des Schmerzes zu unterdrücken. Etwas schien in meinen rechten Schulterknochen eingeschlagen zu sein und hatte ihn zersplittert. Die Tür wankte, sie krachte in den Angeln, und Suko ging zurück, wobei er mich mitzog, mein verzogenes Gesicht sah und mir erklärte, daß er es allein versuchen wollte.
»Okay, mach.«
Er nahm Anlauf. Suko war ein Karatemann. Er beherrschte diese Kampfsportart perfekt und bewies beim zweiten Versuch wieder einmal seine Stärke.
Diesmal trat er mit dem Fuß zu. Sehr schnell und wuchtig. Sein Fuß schien vom Bein wegzufliegen, dann rammte er gegen die Tür, das Splittern klang in meinen Ohren wie Musik. Einen Moment später hatte mein Freund den Durchbruch geschafft.
In der Mitte war das Holz nicht nur gesplittert, es zeigte auch ein großes Loch.
Der Inspektor nickte. »Ich schätze, das hätten wir hinter uns, Kameraden.«
Ingram konnte oder wollte es noch immer nicht glauben. Jedenfalls traf er keinerlei Anstalten, auf die zerstörte Tür zuzugehen und in den Gang zu schreiten.
Ich schob ihn schließlich vor. Suko hämmerte noch einige Splitter zur Seite, damit er unbeschadet den Raum verlassen konnte. Ich besah mir das Schloß.
Jemand hatte es tatsächlich geschlossen. Also mußten wir noch einen weiteren Feind in der Nähe haben. Ingram lehnte wieder an der Gangwand und holte tief Luft. »Verflixt, ich hätte nicht gedacht, da noch einmal rauszukommen.«
»Man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
Er atmete schnaufend. »Aber wer, zum Teufel, hat Mouth verbrannt? Können Sie mir das sagen?«
»Die Flammenfrau.«
»Und warum?«
Ich hob die Schultern. »Wenn wir soweit sind, werden wir die Person selbst fragen, darauf können Sie sich verlassen, Mr. Ingram.«
Er lachte mich kratzig an. »Sie wollen die Flammenfrau stellen? Die wird Sie verbrennen. Sie haben keine Chance. Das Feuer wird euch zerfressen.«
»Gegen Feuer gibt es Wasser«, erwiderte ich. »Mein Freund und ich haben ein ganz besonderes Wasser.«
»Das sagen Sie doch nur.«
Ich winkte ab und wechselte das Thema. »Gibt es da nicht noch einen Mann?«
»Ja, natürlich, Dimitri.«
»Und?«
»Er und Mouth haben sich oben aufgehalten in der Zentrale.«
»Zeigen Sie uns den Weg.«
Er nickte heftig. Wir schritten fast die gleiche Strecke wieder zurück, allerdings nicht mehr bis zur Rampe, sondern bogen vorher ab, um über eine Treppe nach oben zu gehen.
Ingram schritt vor. Auf der Hälfte der Treppe blieb er stehen.
»Wollen Sie nicht den Anfang machen?«
»Klar doch.«
Wir nahmen Ingram in die Mitte. Seine Angst war verständlich.
Noch nie zuvor war er mit ähnlichen Dingen konfrontiert worden.
Die schwarzmagischen Kräfte hatten sich ihm in all ihrer Grausamkeit gezeigt, so etwas ist schlimm.
So mächtig das Krematorium von außen auch wirkte, so eng war es in seinem Innern. Auch der Treppenflur, in dem wir uns aufhielten, war sehr schmal.
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