0596 - Feuer-Furie
Tür geöffnet. Wir betraten einen ebenfalls klimatisierten Raum, der überhaupt nichts mit einem Beerdigungsinstitut gemein zu haben schien.
Heller Teppichboden, modernes Design und ein Mann, der zwar dezent gekleidet war, aber keine Trauerkleidung trug.
Blythe junior war etwa so groß wie ich, aber dicker. Sein Lächeln hatte etwas Kaltes an sich. Mit einer knappen Handbewegung bot er uns Plätze an.
Wir schaukelten auf dem kostbaren Leder von Designerstühlen und ruhten unsere Arme ebenfalls auf ledernen Lehnen aus.
»Nun?« fragte er.
Ich räusperte mich und kam direkt zur Sache. »Wen haben Sie heute ins Krematorium zur Verbrennung schaffen lassen, Mr. Blythe?«
Klatsch, die Frage hatte gesessen. Er bekam große Augen, auf seiner Stirn stand plötzlich der Schweiß in kleinen winzigen Perlen. Er leckte über seine Lippen und schüttelte den Kopf. »Sorry, aber Sie sind sehr direkt.«
»Wir sind auch nicht zum Spaß hier«, erklärte Suko. »Wir möchten wissen, welche Leiche von Ihnen zur Verbrennung gebracht worden ist. Den Namen der Person.«
»Da müßte ich nachschauen lassen.«
»Bitte.«
Er setzte sich mit der Empfangslady in Verbindung. Diesmal sprach er wieder sehr leise und zupfte unruhig an seinem Krawattenknoten, als hätte er etwas zu verbergen.
Er bekam Auskunft, schrieb mit und bedankte sich. Den Hörer auflegend schaute er uns an. »Es war eine Frau. Sie hieß Elisabeth Dempsey, gestorben mit dreiundachtzig an einem Herzinfarkt. Sie war Seniorchefin einer kleinen Textilfabrik, die Stützstrümpfe herstellt für Menschen, die schlecht laufen können.«
»Das ist uninteressant.« Ich schaute ihm ins Gesicht. »Wissen Sie genau, daß diese Frau von Ihren Leuten ins Krematorium gefahren worden ist?«
»Aber sicher.« Blythe zeigte sogar Emotionen, denn er schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Wie können Sie daran nur zweifeln, Gentlemen.«
Die Antwort bekam er von Suko. »Wir waren nicht nur im Krematorium, wir haben sogar den Sarg offen gesehen. Was soll ich Ihnen sagen, Mr. Blythe? Von dieser Person, die Ihrer Meinung nach darin gelegen haben muß, sahen wir nichts.«
Ihm blieb vor Staunen der Mund offen. Auch seine Augen nahmen an Größe zu. Seine Pupillen wirkten, als wären sie noch einmal nachgeschliffen worden. »Nicht mehr im Sarg?« fragte er und legte nach jedem Wort eine kleine Pause ein.
»So ist es.«
»Dann hat man sie herausgenommen?« Er brauchte ein Taschentuch, um Schweiß von der Stirn zu wischen.
»Oder gar nicht erst hineingelegt«, erklärte ich.
»Das glaube ich nicht.«
»Wie soll sie denn dann verschwunden sein?«
»Ausgetauscht vielleicht.«
In diesem Moment bewies er, daß er nachdenken konnte. »Dann lag also jemand anderer im Sarg, wenn ich Sie richtig verstanden habe?«
»Exakt.« Ich lächelte frostig.
»Und wer, bitte schön?«
»Ebenfalls eine Frau. Nicht so alt wie die echte Verstorbene und aus Wachs, der in der Hitze des Feuers nicht verbrannte, sondern nur zerschmolz.«
Blythe junior pustete sich frische Luft zu. »Das ist ein Hammer!« flüsterte er, »verdammt noch mal, das ist ein echter Schock.« Jetzt sprach er wenigstens normal. Wieder mußte er Schweiß von seiner Stirn wischen. »Ich kann mir das nicht erklären, wo der Austausch vorgenommen ist. Tut mir leid, ich bin überfragt.«
»Möglicherweise hier«, sagte Suko.
»Nein – oder…?« Er war plötzlich unsicher geworden. »Ja, was machen wir denn da?«
Ich schaute mich um. »Sieht es hier immer so vornehm aus?« fragte ich, »oder überall. Sie haben doch bestimmt Räume, wo Sie die Toten für die Beerdigung herrichten, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.«
»Wo?«
Er räusperte sich. »Wollen Sie dahin?«
»Das müssen wir, denn wir wollen uns mit den beiden Fahrern unterhalten, die angeblich Mrs. Dempsey in das Krematorium gefahren haben.«
Er wand sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Das ist mir aber unangenehm.«
»Uns macht es auch keinen Spaß. Wir kommen praktisch aus dem Krematorium zu Ihnen, Meister.«
»Ja, ja, ich verstehe.« Er stand auf und gab seiner Vorzimmerelfe Bescheid, wo er sich aufhielt.
»Bitte kommen Sie mit, meine Herren.«
An seiner Seite war das große Büro getäfelt worden. Die Tür innerhalb der Täfelung fiel erst auf, als wir dicht davorstanden. Blythe öffnete sie, ging voran und betrat einen schmalen, sehr kühlen, gefliesten Gang, der die Vornehmheit und Pietät des Verkaufsraumes und des Büros vermissen
Weitere Kostenlose Bücher