0597 - Leichen-Ladies
geworden. In ihnen lauerte ein unheimliches Versprechen und die gleichzeitige Gier nach Blut.
Glatt hatte er die Haare zurückgekämmt. Die Augenbrauen wirkten wie zwei gebogene Balken, die schmalen Lippen zeigten keine Röte. Alles an ihm war bleich und dunkel, sogar die Fingernägel zeigten eine dunkle Bemalung, aber die Farbe in den Pupillen konnte sich auch verändern, wenn Mallmann ein Opfer fixiert hatte.
Dann nahmen sie eine derart intensive Farbe an, daß sie schon an Feuerräder erinnerten.
Er kam näher.
Die Dunkelheit war sein Metier, da fühlte er sich wohl, und er setzte den ersten Schritt geschmeidig, aber dennoch langsam, als wollte er sich davon überzeugen, daß alles okay war.
Mary Sinclair atmete heftig. Mit einer fahrigen Bewegung strich sie das inzwischen sehr lang gewordene graue Haar zurück, und sie erkannte, daß Mallmann die Lippen zunächst zu einem wölfischen Lächeln verzog und erst später die Zähne fletschte, so daß seine beiden Eckzähne deutlich hervortraten und hell schimmerten.
Er bewegte seine rechte Hand, als wollte er ein lästiges Insekt verscheuchen. Nicht Mary, sondern der Vampir paßte in dieses verfluchte Verlies, das für einen Todesboten wie ihn wie geschaffen war.
Seine Füße wirbelten kleine Staubwolken hoch, als er das Verlies betrat. Für einen Moment drehte er den Kopf und schaute die Lampe an, überlegte, ob er das Licht löschen sollte, ließ es jedoch brennen, da es ihn nicht zu sehr störte.
In der Mitte des Verlieses blieb er stehen. Ein gefährlich grinsendes Ungeheuer, das sich vom Blut der Menschen ernährte. Mary fragte sich, wieviele Personen bereits zu seinen Opfern zählten. Daß ihre Bewacherinnen ebenfalls zur Gruppe der Vampire gehörten, davon ging sie aus, denn auch sie atmeten nicht.
Mallmann nickte, bevor er die Frage stellte. »Wie geht es dir, alte Frau?«
An das alte Frau hatte sich Mary Sinclair gewöhnt, das sagte er immer, und sie reagierte nicht darauf. »Wie sollte es mir denn gehen, Mallmann? Lassen Sie mich frei! Alles andere wird sich von allein erledigen.«
Der Vampir lachte und schüttelte dabei den Kopf. »Freilassen«, keuchte er. »Ja, das ist gut. Das ist wirklich gut. Ich weiß, daß du es dir wünschst, und vielleicht, Mary Sinclair, kann ich deinen Wunsch schon bald erfüllen.«
Sie gab keine Antwort, weil sie einfach zu überrascht war. So hatte Mallmann noch nie gesprochen. Sehr langsam, als könnte sie es noch immer nicht fassen, schüttelte sie den Kopf. »Was haben Sie da gesagt, Mallmann? Sie wollen mich freilassen?«
»Du freust dich ja nicht.«
»Weil ich nicht daran glaube, verdammt! Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Das bleibt dir überlassen.«
»Dahinter steckt ein Trick.«
Mallmann nickte. »Ich kann nicht leugnen, daß deine Freilassung an gewisse Bedingungen geknüpft ist.«
»Aha. Und an welche?«
»Sie hängen mit deinem Sohn zusammen, alte Frau. Es kommt darauf an, wie der verfluchte Geisterjäger reagiert.«
Sie schluckte. »Wie sollte er denn reagieren?«
»Er müßte kommen.«
»Hierher?« keuchte sie.
»Ja.«
Als Mallmann teuflisch lächelte, wußte Mary Sinclair, daß John eine Falle gestellt werden sollte, deshalb schüttelte sie den Kopf.
»Ich glaube nicht, daß er herkommen sollte, Mallmann. Sie wollen ihn auflaufen lassen und dann töten…«
»Wäre dir das deine Freilassung nicht wert?«
»Nicht auf Kosten meines Sohnes. Ich bin in der Tat eine ältere Frau. Es spielt doch keine Rolle, wenn ich sterbe. Hauptsache, mein Sohn überlebt und schickt Sie zur Hölle, Mallmann. Jawohl, er soll Sie zur Hölle schicken!«
»Das wird er nicht schaffen!«
»John hat bisher jeden Vampir geschafft. Soll ich Ihnen Namen aufzählen, Mallmann?«
»Nicht nötig«, wehrte er ab. »All die Vampire waren anders als ich, längst nicht so gut wie ich, daran solltest du denken. Ich habe neue Maßstäbe gesetzt. Ich werde meine Kreise weltweit ziehen und mich nicht auf einen Fleck begrenzen. Das ist der Unterschied zu den Vampiren, die du angesprochen hast.«
»Aktion D, nicht wahr?«
»Ja, sie läuft noch immer. Und es wird sich auch niemand finden, der sie zerschlägt.«
»Da setze ich gegen.«
Er lachte rauh. »Niemand schafft es. Denn Sinclair wird mir, um deine Freilassung zu bekommen, das geben, was ich benötige. Es ist nicht groß, es paßt in meine Handfläche, aber es ist ein sehr wertvolles Utensil. Weißt du, wovon ich rede?«
»Der Blutstein?«
»Genau, der
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