0597 - Leichen-Ladies
und ich sahen, wie der Untote zusammenzuckte. Er hätte fallen müssen, zerstört vom geweihten Silber, aber er hielt sich auf den Beinen, rannte noch bis zur Tür und schaffte es sogar, sie aufzureißen.
Es kam wirklich selten vor, daß ich dermaßen perplex und überrascht war wie in diesen langen Augenblicken. Ich war so erstaunt, daß ich nichts tun konnte.
Mallmann floh, obwohl zwei Kugeln in seinem verdammten Vampirkörper steckten.
Er widerstand dem Silber!
Und er taumelte hinaus in den Donner, den Blitz und den ersten Regenschauer.
Als ich mich gefangen hatte, hörte ich ihn grausam lachen. Da stand er schon einige Schritte entfernt, die Hand mit dem Blutstein hocherhoben und gegen den Himmel gestreckt.
Der Stein leuchtete.
Er strahlte in den Vampir hinein und ließ seinen Körper fast durchsichtig werden.
»Er ist mein Retter!« brüllte Mallmann mir entgegen. »Jetzt geht es los. Ich werde Dracula II, Sinclair. Merke es dir!«
Ich schoß, ich wollte mein Kreuz nehmen, als sich Mallmann plötzlich vom Boden erhob, die Arme ausbreitete, die zu regelrechten Flügeln geworden waren, als hätte er sich innerhalb von Sekunden in eine Fledermaus verwandelt.
Halb Tier, halb Mensch, der Kopf war der gleiche. Ein bleiches Gesicht mit blutroten Augen und einem D auf der Stirn. Dann packte ihn eine Bö und schleuderte ihn regelrecht davon, hinein in den wolkigen Himmel, in das Schwefelgelb, den Donner und die zackigen Blitze.
Scharf hob er sich noch einmal ab, bevor er seine Schwingen ausbreitete und verschwand.
Jetzt wußte ich, wozu er den Blutstein benötigt hatte. Diese Waffe machte ihn resistent gegen geweihtes Silber, und ich hatte dafür gesorgt. Mir war verdammt nicht wohl in meiner Haut.
Aber ich hatte eines erreicht. Das Leben meiner Mutter war gerettet worden…
***
Daß Suko ebenfalls gekommen war, bekam ich nicht mit. Ich hatte nur mehr Augen für meine Mutter, die am Boden hockte und auf die ich zuging. Sie weinte.
So wie ich ihr früher als kleines Kind die Arme ausgestreckt hatte, so zog ich sie diesmal hoch auf die Füße. Sie schaute mich an, ich sah ihr ins Gesicht, ich streichelte sie, wir fielen uns in die Arme und weinten beide.
Worte reichten nicht aus, um die Gefühle zu beschreiben, die es nur zwischen Mutter und Sohn geben konnte.
Das wußten auch Suko und Jane, denn sie verließen lautlos den Raum und stellten sich in den Regen.
»Junge«, flüsterte meine Mutter. »John, bitte, bring mich zurück. Bring mich zurück zu Vater, nach Schottland, ich…«
»Natürlich, Ma«, erwiderte ich mit krächzender Stimme. »Ich bringe dich zurück, und zwar so schnell wie möglich…«
ENDE des Zweiteilers
[1] Siehe John Sinclair Nr. 596 »Feuer-Furie«
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