0597 - Leichen-Ladies
Blutstein. Einmal hat er mich leimen können. Ein zweitesmal wird es ihm nicht gelingen.« Er nickte sich selbst zu. Es war gleichzeitig ein Zeichen, denn er kam näher. Wie schwebend ging er auf die Frau zu.
Mary Sinclair rührte sich nicht. Sie spürte hinter ihrem Rücken die Härte der Wand. Dort gab es keinen Ausweg. Höchstens nach vorn, durch die Tür, aber da hätte sie erst an Mallmann vorbeigemußt.
Und das ließ der Blutsauger nicht zu.
So stand sie da und atmete heftig.
Ihr Keuchen floß dem Untoten entgegen, dessen Körpergeruch in die Enge des Gefängnisses paßte. Er stank nach Moder und altem, eingetrockneten Blut.
In Griffweite blieb er vor Mary Sinclair stehen und streckte den rechten Arm aus, wobei er die Finger unter das Kinn der Frau legte.
Mary Sinclair schreckte zusammen. Nicht nur vor der Berührung, sondern auch vor der Kälte, die von diesen Fingern abstrahlte. Es war keine normale Kälte, sondern die, wie sie nur ein Toter in sich hatte. Aber dieser Tote hier lebte auf eine schreckliche und grauenvolle Art und Weise.
Mit Daumen und Zeigefinger hielt er ihr Kinn umklammert. Leicht drückte er in das Fleisch, kaum spürbar, aber Mary Sinclair kam es dennoch vor wie eine Klammer.
Dann drehte er ihren Kopf nach rechts. Zunächst wehrte sie sich gegen diesen Drall, stemmte sich dagegen, ließ es dann jedoch geschehen, und auch die Haut an ihrem Hals straffte sich durch die Bewegung.
Mallmann verfolgte diese Tatsache mit seinen Glutaugen, bevor er seinen Schädel ebenfalls zur Seite beugte. Mund und Zähne brachte er dicht an den Hals heran.
Mary Sinclair versteifte.
Bisher hatte der Blutsauger nur gedroht und ihr nichts getan. Sollte er seinen Plan geändert haben? War sie vielleicht mit ihrer Antwort zu weit gegangen?
Sie hörte ihn keuchen. Es kam der Frau vor, als würde er sogar schlürfen.
Dann spürte sie ihn.
Kalte Lippen und eine straffe Haut, unter der sich die Adern abzeichneten. Sie wartete darauf, daß sich die spitzen Zähne in die Haut bohren würden, aber sie wartete vergebens. Dafür fuhr etwas Nasses, Kaltes über die Haut hinweg, begleitet von einem irre klingenden Kichern des Vampirs.
Sie versteifte sich, als ihr klargeworden war, daß der Blutsauger mit seiner Zunge über ihren Hals fuhr. Dabei flüsterte er ihr zu: »Ich könnte dich auch beißen, Mary Sinclair. Ja, ich könnte dich beißen und dein Blut saugen…«
»Bitte, ich…«
Dann griff er zu. Mit den Fingern, die wie harte Borsten ihre Schulter umfaßten.
Plötzlich bekam sie einen Stoß. Einen brutalen, harten Schubs, der sie wegschleuderte wie irgendeinen Gegenstand, den man nicht mehr im Besitz haben wollte.
Mary Sinclair fiel nicht zu Boden, an der Wand konnte sie sich noch abfangen, doch sie empfand es als ungemein demütigend, von dem Blutsauger derart behandelt worden zu sein.
Als sie sich aufrappelte, drehte sich Mallmann um und schritt langsam zur Tür.
Bevor er das Gefängnis verließ, drehte er sich noch einmal um. »Er wird kommen, dein Sohn!« flüsterte er scharf. »Ja, er wird kommen, und dann pack ich ihn!« Wütend stieß er die letzten Worte hervor und machte dabei eine Bewegung, als wollte er John Sinclair den Hals umdrehen.
Dann ging Mallmann. Die Tür warf er krachend ins Schloß.
Mary Sinclair aber weinte…
***
Auf den Kopf hatte Jane Collins einen weißen Sommerhut gesetzt.
Um wenigstens etwas Luft in den Wagen zu lassen, hatte sie das Stoffverdeck des 2 CV nach hinten gerollt. So fuhr sie durch ein flaches, herrliches Land, in dem drei Sprachen gesprochen wurden.
Einmal niederländisch, im Süden, in der Valonie französisch, und ganz im Osten, an der Grenze zu Germany, deutsch. Das Land hieß Belgien und war, wie Jane sehen konnte, nachdem sie Ostende verlassen hatte, wirklich eine Reise wert, obwohl sich keine mächtigen Berge erhoben, keine Gletscher im ewigen Eis und Firn glänzten, sondern Weideflächen, Wälder, Bäche und wunderschön erhaltene Städte für Abwechslung sorgten.
Auf der A10, auch Europastraße 5 genannt, rollte sie gemächlich in Richtung Brügge. Sie brauchte nicht in die Stadt, sondern mußte sich in Richtung Süden halten, um das Gebiet zu erreichen, in dem sie das Ziel finden würde.
Noch jetzt schüttelte sie über den Auftrag oder den Gefallen, den sie ihren Freunden John und Suko tun sollte, den Kopf. Es war praktisch über sie gekommen, wie ein plötzlicher Regenguß. Aber Jane hatte auch keinen Schirm aufgespannt, um den Guß
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