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0598 - Der Weg in den Schrecken

0598 - Der Weg in den Schrecken

Titel: 0598 - Der Weg in den Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Mittelding.
    Der Reverend trug eine Brille mit hellem Gestell. Auch sie machte sein dickes Gesicht nicht schmaler. Die Augen sahen hinter den Gläsern klein aus. Sein Haar besaß eine fahle Farbe und war nicht zur Bürste geschnitten, sondern flach nach hinten gekämmt. Die dicke Hand verschwand im Kragen des weißen Hemdes. Sogar eine Krawatte hatte er umgebunden. Den Stoff zierten blasse Streifen. Wie Pudding wirkte auf mich sein Kinn, und der Mund erinnerte mich an eine feuchte Schnauze.
    Ich versuchte immer, mit möglichst wenig Vorurteilen Menschen gegenüberzustehen, hier konnte ich nicht anders. Dieser Mann war mir einfach unsympathisch. Kaum vorstellbar, daß ihn die Kinder mochten. Gerade sie hatten ein besonderes Gespür für Menschen.
    Möglicherweise irrte ich mich auch. Als ich meine Hand aus der seinen löste, war sie feucht. Ich wischte die Fläche an meinem Hosenbein ab.
    Den Mund hatte Reverend Guthry zu einem Lächeln verzogen. Er deutete auf zwei Stühle, die sich gegenüberstanden. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mr. Sinclair.«
    »Danke, es wird nicht lange dauern.«
    »Dann darf ich fragen, was Sie zu mir führt? Ist es ein erster Anstandsbesuch?«
    Ich nickte und erklärte ihm gleichzeitig das Gegenteil. »Nicht direkt, Mr. Guthry. Es gibt noch andere Gründe, weshalb ich gerade Sie und Ihr Heim besucht habe.«
    Er lachte leise. »Lassen Sie mich raten. Nein, ich weiß es. Sie denken an die Kinder.«
    »Genau.«
    »Und an ihre Erzählungen.«
    »Gut geraten. Sharon und Eric berichteten von einem Felsriesen, den sie entdeckt hatten. Beide gingen in das offene Maul dieser Kreatur hinein.«
    Der Reverend nickte traurig. »Ja, ja«, sagte er, und es klang bedauernd. »Das ist schon eine Sache, mit der wir uns herumzuplagen haben. Wissen Sie, Mr. Sinclair«, jetzt legte er mir seine Hand auf die Schulter und versuchte die väterliche Tour, »wir haben es nicht einfach. Die Kinder, die bei uns sind, haben bis zu ihrem Eintreffen keinen sozialen Halt gehabt. Sie stammen aus zerrütteten Ehen, aus schlimmen Familienverhältnissen, über die ich kaum zu sprechen wage, und es dauert immer sehr lange, bis wir sie zu normalen, lebensbejahenden Menschen erzogen haben. Die Schatten ihrer Vergangenheit verfolgen sie als schlimme Alpträume. Manchmal brechen sie sogar aus, wie Sharon und Eric.«
    »Und die anderen Kinder.«
    »Sie wissen davon?« Seine Hand rutschte endlich wieder von meiner Schulter herab.
    »Man erzählte es mir.«
    »So ist das leider. Die Kinder sind nicht normal, die Vergangenheit sitzt noch zu stark in ihnen.«
    »Das wollen Sie ändern.«
    »Natürlich.«
    »Mit Gittern und Zäunen?« fragte ich. »Mit einer Anlage, die eher einer Kaserne ähnelt?«
    Er räusperte sich. »Was soll das?«
    »Es ist mein Eindruck.«
    Guthry ging zum Fenster. »Ich weiß nicht, ob Sie sich in der Erziehung auskennen, Mr. Sinclair. Auch mir tut es leid, daß wir das Gelände einfrieden mußten, aber wir sehen uns halt dazu gezwungen. Nicht alle Kinder sind so, aber für diejenigen, die aus der Rolle fallen, haben wir den Zaun hochziehen müssen.«
    »Sind es sehr viele?«
    »Nein, es hält sich in Grenzen. Doch wie Sie selbst erlebt haben, gibt es immer wieder Ausbrüche. Da steckt niemand mehr drin, verstehen Sie das, Mr. Sinclair?«
    »Ich versuche es. Wie halten Sie dagegen?«
    Guthry räusperte sich. »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen?«
    »Sie müssen doch irgendwie eine Lösung finden, die Kinder von den Alpträumen zu befreien.«
    Er drehte sich wieder um, nahm die Brille ab, schaute auf seinen Schreibtisch und nickte verlogen. Mir jedenfalls kam es so vor. »Ja, Sie haben so recht«, erklärte er mit seiner salbungsvollen Stimme.
    »Sie haben wirklich so recht, aber was sollen wir machen, Mr. Sinclair? Wir versuchen die Sportmethode, begreifen Sie? Viel Sport, denn er hält Körper und Seele gesund.«
    »Ach, die Seele auch?«
    Ich bekam einen scharfen Blick zugesandt. »Spotten Sie nicht, Mr. Sinclair. – Ich bin außergewöhnlich dankbar, daß es in der Stadt und der näheren Umgebung Menschen gibt, die uns auch finanziell unterstützen. Diese Aufgabe ist nicht einfach. Wir sind nicht perfekt, wer ist das schon, aber ich tue mein Bestes.«
    »Auch Ihr Personal!«
    Nach dieser Frage weiteten sich die Augen hinter seinen Brillengläsern. »Wie haben Sie das denn gemeint? Was ist mit meinem Personal?«
    »Es sieht zumindest sehr ungewöhnlich aus. Fast alle tragen die gleiche Kleidung, der

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