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0599 - Die Burg der Schlange

0599 - Die Burg der Schlange

Titel: 0599 - Die Burg der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kasprzak
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vor und zurück.
    Jessica stand da wie gelähmt. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Entsetzen und Panik stiegen wieder in ihr auf, drohten erneut sie zu überwältigen.
    Ihr Gesicht und der flache Kopf der Schlange waren auf gleicher Höhe. Mensch und Reptil sahen sich direkt in die Augen. Die einzigen hörbaren Geräusche waren das Zischeln der Schlange und das Tropfen von Wasser irgendwo in der Dunkelheit.
    Ansonsten schien die Welt in der Bewegung erstarrt zu sein.
    Die Sekunden verstrichen. Drei. Vier…
    Dann griff die Schlange plötzlich an!
    Der abgeflachte Schädel schoß vor, während der Rachen noch weiter aufgerissen wurde. Das Zischeln klang aggressiv.
    Jessica stieß einen Schrei aus, riß abwehrend die Arme vor das Gesicht. Doch sie hatte keine Chance, den Zähnen der Kreatur zu entgehen.
    Nur für Sekundenbruchteile gruben sich die elfenbeinfarbenen Hauer direkt unterhalb des Schlüsselbeins in ihr Fleisch.
    Doch diese kurze Zeitspanne reichte aus, um genug Gift in Jessicas Körper zu pumpen, und innerhalb weniger Augenblicke breitete es sich im Leib des jungen Mädchens aus, lähmte ihr Nervensystem und ließ Jessica die Sinne schwinden.
    Wie eine schwarze Wolke senkte sich die Bewußtlosigkeit auf Jessica Williams herab. Ohnmächtig stürzte sie zu Boden und blieb neben dem Skelett liegen.
    Die Laterne war ihren gefühllosen Fingern entglitten, der Glaszylinder in tausend Splitter zerborsten.
    Einen kurzen Moment lang tanzte die rotgelbe Flamme noch auf dem Docht, doch dann erlosch sie in einem plötzlichen Hauch, und Dunkelheit senkte sich über das Gewölbe, hüllte die Schlange und ihr Opfer ein wie eine schwarze Decke.
    ***
    Wilbur Clutterbuck nahm einen Zug aus seiner Pfeife, blies den Rauch durch die Löcher seiner überdimensionalen Kartoffelnase und setzte seine Wanderung durch den Hexham Forest fort.
    Es war kurz nach halb zehn morgens, doch der Frühnebel, der zu dieser Jahreszeit fast immer bis Mittags über dem Land lag, war noch immer so dicht, daß Wilbur stellenweise kaum zwanzig Schritte weit sehen konnte.
    Daß Wilbur dennoch so vergnügt ausschnitt, lag zum einen an dem starken, aromatischen Tabak, den er durch seine Pfeife sog, zum anderen aber auch, daß seine Frau Myra ihm versprochen hatte, zum Mittagessen Pilzragout zu kochen, sein Leibgericht.
    Doch für diese kulinarische Köstlichkeit brauchte Myra zwei bis drei Pfund frische Pilze.
    »Diesen elenden Mist aus der Dose können ja nicht mal die Schweine fressen«, so hatte sie verlauten lassen. Es war ihre feste und unerschütterliche Überzeugung.
    Deshalb war Wilbur jetzt im Wald unterwegs. Um Pilze zu suchen.
    Die besten Chancen auf saftige Champignons hatte man in der Gegend um den Hexham Lake, einen kleinen Waldsee, der seinen großspurigen Namen Lügen strafte.
    Dort unter den Laubbäumen, wo es dunkel und ein wenig modrig war, konnte man im Hexham Forest seit jeher die größten Pilze finden.
    Wilburs Vater hatte ihm den Platz vor sechzig Jahren, als er noch ein Junge gewesen war, gezeigt, und hierhin ging Wilbur regelmäßig alle zwei bis drei Wochen. Er tat es immer, wenn Myra sich dazu überreden ließ, ihm sein Lieblingsgericht zuzubereiten.
    Er hatte einen Weidenkorb unter dem Arm, marschierte munter in Richtung Waldsee.
    Der Hexham Lake lag ein Stück abseits des Weges, deshalb verließ Wilbur nach einer Weile den ausgetretenen Wanderpfad. Er schlug sich durch das nicht besonders dichte Unterholz, die Pfeife zwischen den Lippen.
    Mit seiner karierten Schiebermütze, dem grauen Parka, den Latzhosen und den kniehohen Gummistiefeln wirkte er wie die Karikatur des Hinterwäldlers, der er mit Leib und Seele war.
    Wilbur achtete nicht auf die Äste und Zweige der Büsche, die wie gierige Hände an seiner Kleidung zerrten.
    Nach etwa einer halben Meile erreichte er schließlich das Ufer des Sees, der wie eine graue Schieferplatte zwischen den Bäumen lag.
    Nebelschwaden trieben über das Wasser wie körperlose Geister.
    Ein wenig außer Atem von der Querfeldeintour, blieb er einen Moment stehen und genoß die Stille und Abgeschiedenheit dieses Ortes.
    Hier tummelten sich im Sommer, wenn man nicht befürchten mußte, sich irgendwelche wichtigen Körperteile abzufrieren, häufig Liebespaare. Der Platz war wie geschaffen für nächtliche Vergnügungen dieser Art.
    Wilbur nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife und sah sich nach Pilzen um am Ufer des kleinen Sees, in dem es früher irgendwann sogar Fische gegeben

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