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0599 - Die Burg der Schlange

0599 - Die Burg der Schlange

Titel: 0599 - Die Burg der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kasprzak
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hatte.
    Wilbur brauchte nicht lange zu suchen, bis er unter einer Linde eine Ansammlung Champignons fand. Die würden sich hervorragend im Ragout machen.
    Er stellte den Korb auf den Boden, ging in die Knie und begann, die Pilze vorsichtig mitsamt der Wurzelfäden aus der Erde zu ziehen, sie zu pflücken wie Obst vom Baum.
    Nach fünf Minuten war der Korb so voll, daß Myra aus dem Inhalt gut und gerne drei- bis viermal Wilburs Leibspeise zaubern konnte.
    Zufrieden richtete sich der alte Mann auf, wobei sein Kreuz vernehmlich knackte.
    Er nahm den Weidenkorb und wollte sich schon wieder auf den Rückweg nach Hexham machen…
    Da sah er nicht weit entfernt am Ufer des Sees im Schilf etwas Weißes.
    Es war zu groß, um von Wanderern weggeworfener Abfall zu sein, deshalb ging Wilbur dichter heran, um dieses Etwas näher in Augenschein zu nehmen.
    Als er endlich erkannte, was dort halb im Wasser und halb im hüfthohen Schilf des Waldsees lag, blieb Wilbur so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen.
    In einer Geste fassungslosen Entsetzens nahm der alte Mann die Pfeife aus dem Mund, sog hörbar den Atem ein.
    Er hatte in seinem Leben zwar schon den einen oder anderen Toten gesehen, schließlich hatte er im Zweiten Weltkrieg für sein Vaterland den Kopf riskiert. Aber dieser Anblick schockte ihn doch.
    Es war die nackte Leiche eines jungen Mannes, der ihn aus glasigen Augen anstarrte.
    Der Weidenkorb mit den frisch gepflückten Pilzen entglitt Wilburs Hand…
    ***
    Zwei Tage später.
    »Schon gewußt, daß es durchaus Sinn macht, Käsekrusten in der Mikrowelle aufzuwärmen?«
    Nicole Duval, modisch mit einem einteiligen Hosenanzug und Schnürstiefeln bekleidet, sah Zamorra, ihren Lebensgefährten und Chef vom Beifahrersitz des Rovers aus argwöhnisch an.
    »Was soll denn das jetzt? Ist das irgendeine Fangfrage, oder sowas?«
    »Das«, sagte Zamorra, der den gemieteten Wagen über die Landstraße 113 in Richtung Norden lenkte, »ist der Ausdruck meines tiefen Bedürfnisses, mit dir Konversation zu treiben.«
    Nicole runzelte mißtrauisch die Stirn. »Über aufgewärmte Käsekrusten?« fragte sie.
    Der Parapsychologe und Dämonenjäger zuckte die Schultern. »Meinetwegen auch über die philosophischen Aspekte von Fiüssigseife«, sagte er. »oder die Auswirkungen von McDonald's auf den Weltfrieden. Ich bin nicht auf ein Thema fixiert.« Er lächelte.
    Nicole schüttelte den Kopf. »Sag mal, kann es sein, daß dir das Frühaufstehen nicht bekommt?« fragte sie besorgt. »Du redest sinnloses Zeugs.«
    »Das kommt daher, weil hier in England mittlerweile alles sinnlos geworden zu sein scheint«, sagte der Dämonenjäger dramatisch, wenn er es auch nicht ganz ernst meinte. »Egal, was du tust oder läßt, früher oder später fängst du dir sowieso Kreutzfeld-Jakob ein, und das war's dann.«
    Nicole schnaubte. Offenbar war sie heute nicht besonders empfänglich für Zamorras bissige Sprüche. »Ich fürchte, daß es im Augenblick Dinge gibt, die weitaus akuter als die vermeintlichen Gefahren von BSE sind.«
    Zamorra nickte.
    Seine Kampfgefährtin, mit der zusammen er den Rest der Ewigkeit verbringen würde, hatte natürlich Recht. Denn wie es aussah, ging im Vereinigten Königreich etwas vor, das wesentlich tödlicher war als Kreutzfeld-Jakob - und zudem um ein Vielfaches öfter zuschlug, wenn die Dinge wirklich so lagen, wie es den Anschein hatte.
    Zamorra und Nicole waren unterwegs nach Hexham im waldigen Herzen der englischen Grafschaft Newcastle. Gestern abend war Zamorra durch einen Fernsehbericht darauf aufmerksam geworden, daß man im Raum Hexham in den letzten acht Wochen die Leichen von vier jungen Männern gefunden hatte, deren Körper allesamt Spuren von Schlangenbissen aufwiesen.
    Das allein wäre für den Parapsychologen und Dämonenjäger natürlich noch kein Grund gewesen, mit Nicole nach Newcastle zu reisen, schließlich gab es auch in den relativ kalten Gefilden Großbritanniens einige Schlangen, deren Gift selbst für Menschen tödlich sein konnte. Kreuzottern, Aspisvipern und Hornottern zum Beispiel.
    Doch bei der Obduktion der Toten, die teilweise vollkommen unbekleidet im Hexham Forest und den angrenzenden Waldgebieten gefunden wurden, stellte man fest, daß das Gift, an dem die jungen Leute offensichtlich gestorben waren, von keiner in Großbritannien einheimischen Schlangenart stammte.
    Zunächst nahm man deshalb an, daß aus dem Reptilienhaus des Zoos in Newcastle oder aus einem

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