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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sicher wieder im Gewächshaus. Er hatte sie dorthin zurückkehren sehen, nachdem Lynley abgefahren war. Er wußte, daß sie sich dort, bei ihren Pflanzen, beim Graben und Umtopfen und Schneiden, entspannen wollte. Er überlegte, ob er zu ihr gehen sollte. Er wollte ihr unbedingt mitteilen, was er bisher wußte. Aber sie würde es nicht hören wollen. Sie würde protestieren und die Vorstellung abschreckend finden. Anstatt also den Hof zu überqueren und in den Garten zu treten, ging er die von Lavendelhecken gesäumte schmale Fahrstraße entlang. Bei der ersten Lücke in der Hecke schwenkte er in den Wald ab.
    Nach einer Viertelstunde Marsch erreichte er das Pförtnerhäuschen. Hier war kein Garten, nur eine kleine ungepflegte Fläche, auf der eine unglückliche italienische Zypresse stand. Windschief lehnte sie am einzigen Nebengebäude des Pförtnerhauses, einem alten Schuppen, dessen Dach unübersehbare Löcher zeigte.
    Die Tür hatte kein Schloß, weder Klinke noch Knauf, nur einen verrosteten Eisenring, der Vernachlässigung und die Unbilden der Witterung überlebt hatte. Als er dagegenstieß, löste sich eine Türangel aus dem Rahmen, Schrauben fielen aus dem verrotteten Holz, die Tür senkte sich schief in den weichen Lehmboden und blieb so. Die entstandene Öffnung war groß genug, um in den Schuppen hineinzuschlüpfen.
    Er wartete, bis seine Augen sich an die veränderte Beleuchtung gewöhnt hatten. Es gab kein Fenster, nur das fahle Tageslicht, das durch die Ritzen in den Wänden und die Türöffnung eindrang. Draußen hörte er den Hund an der Zypresse herumschnüffeln.
    Langsam begannen sich Formen von dem Halbdunkel abzuheben. Was zunächst nur als eine merkwürdige Zickzacksilhouette erkennbar gewesen war, entpuppte sich jetzt als Arbeitstisch, auf dem Farbtöpfe standen und eingetrocknete Pinsel sowie erstarrte Malerrollen lagen. Auf der einen Seite standen mehrere flache Aluminiumwannen gestapelt, hinter den Farbtöpfen zwei Kartons mit Nägeln und ein Glas mit Schrauben, Muttern und Dübeln. Alles war mit einer Staubschicht überzogen, die offenbar seit zehn Jahren nicht mehr angerührt worden war.
    Zwischen zwei Farbtöpfen hatte eine Spinne ihr Netz gespannt. Es erzitterte unter seiner Bewegung, aber in der Mitte wartete keine Spinne auf Beute. Er griff mit der Hand hinein, spürte die geisterhafte Berührung der zarten Fäden auf seiner Haut. Keine Spur des klebrigen Safts, der zum Insektenfang gebraucht wurde, haftete an ihnen. Die Architektin des Netzes war längst fort.
    Das alles war unwichtig. Man konnte den Schuppen betreten, ohne den Eindruck, daß er längst außer Gebrauch und dem Verfall überlassen sei, zu stören.
    Er ließ seinen Blick über die Wand schweifen, wo an Nägeln Werkzeuge und Gartengeräte hingen: eine rostige Säge, eine Hacke, ein Rechen, zwei Spaten und ein fast kahler Besen. Darunter lag zusammengerollt ein grüner Gartenschlauch. In der Mitte des Schuppens stand ein verbeulter Eimer. Er sah hinein. Nur ein Paar Gartenhandschuhe, Daumen und Zeigefinger durchgescheuert, lag darin. Nach der Größe zu urteilen, handelte es sich um Männerhandschuhe. Sie paßten Colin. An der Stelle, wo sie auf dem Grund des Eimers gelegen hatten, schimmerte das Metall hell und blitzte im Licht. Er legte die Handschuhe wieder hinein und sah sich weiter um.
    Drei Säcke, einer mit Grassamen, ein zweiter mit Dünger und ein dritter mit Torferde, lehnten an einem schwarzen Schubkarren, der aufgerichtet in der hintersten Ecke stand. Er hievte die Säcke auf die Seite und zog den Schubkarren von der Wand weg, um einen Blick dahinter zu werfen. Von einer kleinen Holzkiste, die mit alten Lumpen gefüllt war, stieg ein schwacher Gestank nach Mäusen oder Ratten auf. Er stellte die Kiste auf und sah zwei kleine Tiere schutzsuchend unter den Arbeitstisch huschen. Er wühlte mit der Stiefelspitze in den Lumpen, fand aber nichts. Schubkarren und Säcke hatten genauso unberührt gewirkt wie alles andere im Schuppen; er war daher nicht überrascht, nur nachdenklich.
    Es gab zwei Möglichkeiten, und er ließ sie sich durch den Kopf gehen, während er alles wieder an seinen Platz stellte. Ihm war aufgefallen, daß in dem Schuppen die meisten kleineren Alltagswerkzeuge fehlten. Er hatte keinen Hammer für die Nägel gesehen, keinen Schraubenzieher, keinen Schraubenschlüssel. Er hatte weder kleine Schaufeln noch einen Kultivator entdeckt, obwohl Rechen, Hacke und Spaten hier hingen. Nur das Schäufelchen

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