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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich nicht Mr. Townley-Young, o Wunder, bereit erklärt, den Männern, die auf seinen Höfen arbeiteten, eine Pension auszusetzen? War nicht das Wasserspeicherprojekt entwickelt worden, um neue Arbeitsplätze für die Einheimischen zu schaffen? Dies alles, behauptete Polly, seien die Wohltaten der Göttin.
    Niemals erlaubte sie ihm, beim Ritual dabeizusein. Er war kein Eingeweihter. Manche Dinge, erklärte sie, durften einfach nicht sein. Um also ganz ehrlich zu sein, er hatte keine Ahnung, was sie eigentlich tat, wenn sie den Gipfel von Cotes Fell erklommen hatte. Nicht ein einziges Mal hatte er sie die Göttin anrufen hören.
    Aber vom Gipfel des Cotes Fell, wo sie, wie die Wachsreste auf dem Granitaltar verrieten, noch immer den Kult ausübte, konnte Polly Cotes Hall sehen. Alles, was im Hof, auf dem Grundstück, im Garten des Verwalterhauses vor sich ging, hätte sie beobachten können. Kein Kommen und kein Gehen wäre ihr entgangen, und selbst wenn jemand vom Verwalterhaus in den Wald gegangen wäre, hätte sie das von hier oben aus sehen können.
    Colin stand auf und pfiff dem Hund. Leo kam mit großen Sprüngen aus dem Nebel angejagt. Den Tennisball hatte er im Maul und warf ihn Colin verspielt vor die Füße, die Nase dicht am Boden, bereit, den Ball sofort zu schnappen, sollte sein Herr danach greifen. Colin tat dem Retriever den Gefallen, ihn ein bißchen zu necken, und lächelte über das grimmige Knurren des Hundes, jedesmal, wenn er so tat, als greife er den Ball. Schließlich ließ Leo den Ball liegen, machte einen Sprung nach rückwärts und wartete. Colin warf den Ball in Richtung Herrenhaus den Hang hinunter und sah dem davonschießenden Hund einen Moment nach. Dann folgte er langsam auf dem Fußweg. Beim Great North blieb er stehen und legte die Hand auf den Stein. Seine Kälte durchzuckte ihn wie ein Schock. Die Alten hatten von der Zauberkraft des Steins gesprochen.
    »Hat sie?« fragte er und schloß die Augen, um auf Antwort zu warten. Er konnte sie in seinen Fingern fühlen. Ja...ja...
    Der Abstieg war nicht gleichmäßig steil. Es war ein kalter Weg, aber er war zu bewältigen. So viele Füße hatten im Lauf der Zeit den Pfad ausgetreten, daß das Gras, das an anderen Stellen schlüpfrig war vom Reif, auf dem Pfad bis auf Steine und Erde heruntergetrampelt war. Man hatte daher guten Halt, das Risiko zu stürzen oder abzurutschen war gering. Jeder konnte zum Cotes Fell hinaufsteigen. Man konnte im Nebel hinaufsteigen. Man konnte bei Nacht hinaufsteigen.
    In drei spitzen Wenden zog sich der Weg abwärts, so daß der Ausblick ins Tal sich immer wieder änderte. Auf den Blick auf das Herrenhaus folgte die Aussicht auf das Hochmoor und die Häuser der Skelshaw Farm in der Ferne. Einen Moment später schon wich der Blick auf die Skelshaw Farm dem Bild der Kirche und der Häuser von Winslough. Und schließlich, als der Hang in Weideland überging, stieß der Fußweg an das Gelände von Cotes Hall.
    Hier machte Colin halt. Die aus losen Steinen aufgetürmte Mauer hatte kein Treppchen, das dem Wanderer leichten Zugang zum Herrenhaus geboten hätte. Doch sie war in schlechtem Zustand. An manchen Stellen war sie von Dornengestrüpp überwuchert. An anderen Stellen bröckelte sie und hatte Lücken. Mit Leichtigkeit konnte man durch so eine Lücke steigen, und er tat es, pfiff dem Hund, der ihm folgte.
    Noch einmal senkte sich hier das Land, führte sachte abwärts zum Weiher etwa zwanzig Meter entfernt. Dort angekommen, blickte Colin auf den Weg zurück, den er gekommen war. Er konnte den Great North sehen, darüber nichts. Himmel und Dunst verschmolzen in eintönigem Grau, das bereifte Land hob sich kaum vom Horizont ab. Der verhüllende Schleier täuschte den scharfen Blick. Ein Beobachter hätte sich nichts Besseres wünschen können.
    Mit dem Hund an seiner Seite ging er um den Weiher herum, machte halt, um sich zu bücken und die Wurzel zu untersuchen, die Juliet für Lynley ausgegraben hatte. Er rieb die Oberfläche, bis das schmutzig cremefarbene Fleisch freigelegt war, und preßte seinen Daumennagel in den Stengel. Ein dünnes Rinnsal öliger Flüssigkeit tropfte heraus. Ja... ja. ..
    Er schleuderte sie in die Mitte des Teichs und sah zu, wie sie sank. Die Wellen breiteten sich kreisförmig zum Rand der Eisdecke aus. »Nein, Leo!« sagte er scharf, als der Hund, seinem Instinkt folgend, ans Wasser rannte. Er nahm ihm den Tennisball ab und warf ihn zur Terrasse hinauf und folgte.
    Sie war jetzt

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