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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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einer ihrer drei Halsketten. Sie war aus Federn und bunten Glasperlen gemacht und hatte einen holzgeschnitzten Ziegenkopf als Anhänger. »Ich kann mir nicht denken, daß wir hier was haben, was Sie interessieren könnte.«
    »Vielleicht doch. Wann sind Sie dieses Jahr gekommen?«
    Er sah, wie ihre Mundwinkel zuckten, und kam einer spöttischen Bemerkung zuvor, indem er sich hastig verbesserte: »Wann sind Sie in Winslough angekommen?«
    »Am vierundzwanzigsten Dezember. Wie immer.«
    »Nach dem Tod des Pfarrers.«
    »Ja. Ich hab den Mann nie kennengelernt. Nach allem, was da passiert ist und was ich so von Polly über ihn gehört hab, wär es interessant gewesen, ihm mal aus der Hand zu lesen.«
    Sie ergriff Colins Hand. »Soll ich mir Ihre mal ansehen, Jungchen?«
    Und als er sich losriß, meinte sie: »Angst vor der Zukunft, hm? Wie die meisten Leute. Na kommen Sie schon, sehen wir sie uns mal an. Wenn's gut ausschaut, zahlen Sie. Wenn's schlecht ausschaut, halt ich die Klappe. Na, ist das ein Angebot?«
    »Wenn Sie mich reinlassen.«
    Sie lächelte und trat ein paar watschelnde Schritte von der Tür zurück. »Nur drauf, Jungchen. Haben Sie schon mal mit 'ner Frau gebumst, die mehr als zwei Zentner Lebendgewicht auf die Waage bringt? Bei mir gibt's so viele Löcher, daß Sie da gar nicht fertig werden.«
    »Schon recht«, sagte Colin und drängte sich an ihr vorbei. Sie hatte sich so stark parfümiert, daß das ganze Haus roch. Der Duft strömte in Wellen von ihr aus, wie die Hitze von einem Kohlefeuer. Er versuchte, die Luft anzuhalten.
    In dem kleinen Vorraum schnürte er seine schmutzigen Stiefel auf und stellte sie zu den Gummistiefeln, Regenschirmen und Regenmänteln. Er ließ sich Zeit beim Ausziehen der Stiefel und benutzte die Gelegenheit, sich gründlich umzusehen. Besonders vermerkte er, was da neben einem Abfalleimer mit verfaultem Rosenkohl, Lammknochen, vier leeren Puddingtüten, den Überresten eines Frühstücks, das aus Toast und Schinken bestanden hatte, und einer kaputten Lampe ohne Schirm stand. Es war ein Einkaufskorb mit Kartoffeln, Karotten, Kürbissen und einem Kopfsalat.
    »Polly war beim Einkaufen?« fragte er.
    »Das ist von vorgestern. Sie hat's mittags vorbeigebracht.«
    »Bringt sie Ihnen auch manchmal Pastinaken fürs Abendessen?«
    »Natürlich. Genau wie alles andere. Warum?«
    »Weil man die nicht zu kaufen braucht. Die wachsen hier wild, wußten Sie das nicht?«
    Rita strich mit ihrem Krallenfinger über den Ziegenbock an ihrer Halskette. Sie spielte erst mit dem einen Horn, dann mit dem anderen und betrachtete Colin dabei gedankenvoll. »Und was ist, wenn ich's weiß?«
    »Es würde mich interessieren, ob Sie es auch Polly gesagt haben. Es wäre doch die reine Geldverschwendung, sie im Laden einkaufen zu lassen, was sie hier selbst ausgraben kann.«
    »Richtig. Aber meine Polly ist keine Wurzelsammlerin, Mr. Constable. Wir sind total fürs natürliche Leben, das können Sie mir glauben, aber auf allen vieren im Wald rumkriechen und im Dreck wühlen, da hört's für Polly auf. Sie hat im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten, die ich Ihnen nennen könnte, Besseres zu tun.«
    »Aber sie kennt sich aus mit Pflanzen. Das gehört zum Kult. Man muß die verschiedenen Hölzer kennen, die man verbrennen kann. Und die Kräuter auch. Die braucht man doch fürs Ritual?«
    Ritas Gesicht wurde völlig ausdruckslos. »Fürs Ritual braucht's mehr, als Sie wissen oder verstehen, Mr. C. Shepherd. Und mit Ihnen werde ich mich darüber bestimmt nicht unterhalten.«
    »Aber die Kräuter haben doch Zauberkraft?«
    »Vieles hat Zauberkraft. Aber sie entspringt immer dem Willen der Göttin, gelobt sei ihr Name, ob man nun den Mond, die Sterne, die Erde oder die Sonne gebraucht.«
    »Oder die Pflanzen.«
    »Oder das Wasser oder das Feuer oder sonst etwas. Die Zauberkraft entsteht aus dem Geist des Bittstellers und dem Willen der Göttin. Man gewinnt sie nicht, indem man irgendwelche Tränke mischt und die dann runterkippt.«
    Sie watschelte durch eine Tür in die Küche, ging zum Wasserhahn und hielt den Kessel unter den erbärmlich dünnen Wasserstrahl.
    Colin nahm die Gelegenheit wahr, um seine Untersuchung des Vorraums abzuschließen. Er enthielt die merkwürdigsten Dinge: zwei Fahrradfelgen ohne Reifen, einen rostigen Anker, einen ausrangierten Katzenkorb, in dem ein Berg zerfledderter Taschenbücher lag, mit Umschlägen, deren Illustrationen vorzugsweise vollbusige Frauen in den Armen von zügellos

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