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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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leidenschaftlichen Männern zeigten. Wenn hier zwischen Kartons voller Altkleidung, einem uralten Staubsauger und dem Bügelbrett irgendwo ein Satz Haushaltswerkzeuge versteckt war, so würde schon eine gründliche Durchsuchung nötig sein, um sie aufzustöbern.
    Colin ging zu Rita in die Küche. Sie hatte sich an den Tisch gesetzt, auf dem noch die Reste ihres zweiten Frühstücks standen, und widmete sich wieder ihren Fingernägeln. Der Nagellack hatte einen starken Geruch, aber gegen ihr Parfüm und fetten Schinkenspeck, der in einer Pfanne auf dem Herd brutzelte, kam er nicht an. Colin tauschte die Pfanne mit dem Wasserkessel aus. Rita bedeutete ihm ihren Dank mit dem Lackpinselchen, und er fragte sich, was sie wohl zu dieser Farbe inspiriert hatte und wo sie eine solche Farbe überhaupt aufgetrieben hatte.
    Um sich vorsichtig an den Grund seines Besuchs heranzutasten, sagte er: »Ich bin hinten herum gekommen.«
    »Ja, das ist mir aufgefallen, Süßer.«
    »Ich meine, durch den Garten. Ich hab mir Ihren Schuppen angesehen. Der schaut ja übel aus, Rita. Die Tür hängt schief. Soll ich sie Ihnen richten?«
    »Na, das ist aber mal eine tolle Idee, Mr. Constable.«
    »Haben Sie Werkzeuge da?«
    »Bestimmt. Irgendwo.«
    Sie streckte ihr rechte Hand auf Armeslänge aus und begutachtete ihre Fingernägel.
    »Wo denn?«
    »Keine Ahnung, Süßer.«
    »Und Polly, weiß sie es?«
    Sie wedelte mit der Hand.
    »Rita, benützt Polly das Werkzeug?«
    »Kann sein. Kann auch nicht sein. Aber uns geht's doch nicht ums schöner Wohnen, hm?«
    »Ja, ich glaube, das ist typisch. Wenn Frauen längere Zeit ohne Mann leben, brauchen sie...«
    »Ich hab nicht von mir und Polly gesprochen«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich hab von mir und von Ihnen gesprochen. Oder gehört das neuerdings zu Ihrem Dienst, daß Sie durch Hintergärten streifen und Geräteschuppen prüfen und hilflosen Frauen Ihre Dienste anbieten?«
    »Wir sind alte Freunde. Ich würde mich freuen, wenn ich helfen kann.«
    Sie lachte. »Ja, das glaub ich! Freut sich wie ein Schneekönig, der gute Mr. Constable, wenn er nur helfen kann. Ich wette, wenn ich Polly frage, wird sie mir erzählen, daß Sie seit Jahren einmal oder zweimal jede Woche vorbeikommen, um ihr bei der Arbeit zu helfen.«
    Sie legte ihre linke Hand auf den Tisch und griff nach dem Nagellack.
    Das Wasser begann zu kochen. Er nahm den Kessel vom Herd. Sie hatte bereits zwei klobige Becher mit Pulverkaffee bereitgestellt. Der eine Becher war schon benützt, wie die Lippenstiftspuren an seinem Rand verrieten. Der andere - mit dem Wort Pisces verziert und einem silbriggrünen Fisch, der in einem von Sprüngen durchzogenen azurblauen Meer schwamm - war offenbar für ihn gedacht. Er zögerte einen Moment, ehe er das Wasser hineingoß, und kippte den Becher so verstohlen wie möglich, um prüfend hineinsehen zu können.
    Rita beobachtete ihn und zwinkerte. »Nun machen Sie schon, Schätzchen. Wagen Sie doch mal was. Irgendwann müssen wir ja alle sterben, oder nicht?«
    Lachend senkte sie den Kopf und widmete sich wieder ihren Fingernägeln.
    Er goß das Wasser ein. Auf dem Tisch lag nur ein Teelöffel, allem Anschein nach kein sauberer. Ihm wurde ein wenig schwummrig bei dem Gedanken, ihn in seinen Becher zu stecken, aber kochendes Wasser sterilisierte ja, sagte er sich und tauchte den Löffel rasch ein, um ein paarmal hastig herumzurühren. Dann trank er. Es war eindeutig Kaffee.
    »Ich seh jetzt mal nach dem Werkzeug«, sagte er und nahm den Becher mit ins Eßzimmer, wo er ihn in der Absicht, ihn zu vergessen, auf den Tisch stellte.
    »Schauen Sie sich nur um«, rief Rita ihm nach. »Wir haben nichts zu verbergen als das, was wir unter unseren Röcken haben. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie da nachsehen wollen.«
    Ihr schrilles Gelächter folgte ihm ins Eßzimmer, wo die eilige Durchsuchung einer Kommode nicht mehr zum Vorschein brachte als einen Satz Geschirr und mehrere Tischdecken, die nach Mottenpulver rochen. Am Fuß der Treppe stand ein müder alter Zeitungsständer mit vergilbten Exemplaren eines Londoner Sensationsblatts. Ein rascher Blick zeigte ihm, daß offenbar nur die saftigeren Ausgaben aufgehoben wurden, in denen über zweiköpfige Säuglinge berichtet wurde, Leichen, die in Särgen geboren hatten, über Wolfskinder und einen Besuch Außerirdischer in einem Kloster in Southend-on-Sea. Er zog die einzige Schublade auf, die voller kleiner Holzstücke war. Er erkannte den Duft von Zeder und Fichte,

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