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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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oder den Kultivator verschwinden zu lassen, wäre natürlich zu auffällig gewesen. Alles verschwinden zu lassen, war entschieden schlauer.
    Die zweite Möglichkeit war, daß es diese Werkzeuge hier nie gegeben hatte, daß der lang verschwundene Mr. Yarkin sie bei seiner überstürzten Flucht aus Winslough vor mehr als fünfundzwanzig Jahren mitgenommen hatte. Etwas merkwürdig, gewiß, aber vielleicht hatte er sie für seine Arbeit gebraucht. Was für einen Beruf hatte er ausgeübt? Colin versuchte, sich zu erinnern. War er Schreiner gewesen? Aber warum hatte er dann die Säge zurückgelassen?
    Er sponn seinen Gedankengang weiter. Wenn es hier im Haus und im Schuppen kein Werkzeug gab, dann hatte sie sie sich eben ausgeliehen. Sie hatte gewußt, wo sie sich welches holen konnte, und auch, wann, da sie ja den rechten Moment oben auf ihrem Ausguck auf dem Cotes Fell hatte abwarten können. Im übrigen hätte sie den rechten Moment auch hier im Pförtnerhäuschen abpassen können. Sie hätte hier jeden vorüberkommenden Wagen gehört und nur ans Fenster zu gehen brauchen, um zu sehen, wer am Steuer saß.
    Das war einleuchtend. Selbst wenn sie ihr eigenes Werkzeug gehabt hätte, weshalb hätte sie es riskieren sollen, es zu benützen, wenn sie sich doch nur Juliets auszuleihen und sie später ins Gewächshaus zurückzubringen brauchte, ohne daß ein Mensch etwas merkte? Sie hätte ja sowieso in den Garten gehen müssen, um zum Keller zu kommen. Ja. Genau so war es gewesen. Sie hatte Motiv, Mittel und Gelegenheit gehabt. Aber obwohl Colin sich seiner Sache völlig sicher war, wußte er, daß er es sich nicht leisten konnte, diesen Weg weiterzuverfolgen, ohne noch ein paar weitere Fakten hieb- und stichfest zu machen.
    Er schlüpfte aus dem Schuppen, schloß die Tür und ging durch den Matsch zum Haus. Leo kam aus dem Wald getrottet, ein Bild hündischer Glückseligkeit, schmutzverschmiert und mit welkem Laub im Fell. Welch ein Feiertag für ihn: erst eine Bergwanderung, dann fröhliches Ballspiel und zum Abschluß ein Schlammbad im Wald. Nichts tat er lieber, als unter den Eichen herumzustöbern wie ein Trüffelschwein.
    »Bleib«, befahl Colin ihm und deutete auf einen Platz neben der Tür. Er klopfte und hoffte, auch ihm würde dieser Tag noch Anlaß zum Feiern bringen.
    Er hörte sie, noch ehe sie ihm aufmachte. Der Boden knarrte unter ihrem schlurfenden Schritt. Ihr pfeifender Atem begleitete das Quietschen des Riegels, der zurückgeschoben wurde. Dann stand sie vor ihm wie ein Walroß auf dem Eis, eine Hand auf dem gewaltigen Busen gespreizt, als könnte sie sich durch den Druck das Atmen erleichtern. Er konnte sehen, daß er sie beim Lackieren ihrer Fingernägel gestört hatte. Zwei waren aquamarinblau, drei waren noch unlackiert. Alle waren sie unnatürlich lang.
    »Sonne, Mond und Sterne, wenn das nicht Mr. C. Shepherd höchstpersönlich ist!«
    Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und ließ ihren Blick dabei vor allem auf seinem Unterleib ruhen. Unter ihrem Blick verspürte er ein verrücktes heißes Kribbeln in den Hoden. Als wüßte Rita Yarkin das, lächelte sie und stieß einen Seufzer aus, der sich wie ein Wonneseufzer anhörte. »So. Und was verschafft mir die Ehre, Mr. C. Shepherd? Sind Sie gekommen, um das heiße Flehen einer Jungfrau zu erhören? Wobei natürlich ich die Jungfrau bin. Nicht, daß Sie da was falsch verstehen.«
    »Ich würde gern hereinkommen, wenn es Ihnen recht ist«, sagte er.
    »Ach ja?«
    Sie verlagerte ihre Massen und lehnte sich an den Türpfosten. Sie streckte den Arm aus - mindestens ein Dutzend Reifen klirrten an ihrem Handgelenk - und strich ihm mit der Hand über das Haar. Er gab sich alle Mühe, nicht zusammenzuzucken. »Spinnweben«, sagte sie. »Hm. Noch eine. Wo haben Sie denn Ihr hübsches Köpfchen niedergelegt, Jungchen?«
    »Darf ich hereinkommen, Mrs. Yarkin?«
    »Rita.«
    Sie sah ihn an. »Kommt darauf an, was Sie mit ›hereinkommen‹ meinen. Es gibt bestimmt 'ne Menge Frauen, die Sie mit Freuden aufnehmen würden, ganz gleich, wann und wohin es Sie treibt. Aber ich? Hm, ich bin ein bißchen wählerisch mit meinen Spielgefährten. War ich immer schon.«
    »Ist Polly da?«
    »Ach, auf Polly haben Sie's abgesehen, Mr. C. Shepherd? Na, ich möchte doch wissen, warum? Ist sie Ihnen plötzlich gut genug? Hat die andere Sie an die Luft gesetzt?«
    »Rita, ich möchte keinen Streit mit Ihnen, lassen Sie mich rein, oder soll ich später wiederkommen?«
    Sie spielte mit

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