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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Wenn sie Fieber hat, macht ihre Mutter ihr einen Tee. Sie hat zum Beispiel mir ein Gurgelwasser aus Pfennigkraut gemacht, als ich das letzte Mal draußen beim Herrenhaus war - da wohnen sie nämlich, gleich bei Cotes Hall -, und ich hab nur einen Tag damit gegurgelt, und die Halsschmerzen waren weg.«
    »Sie kennt sich also mit Pflanzen aus.«
    Josie nickte. »Deswegen hat's ja so verdächtig ausgesehen, wie Mr. Sage gestorben ist. Wie konnte ausgerechnet die sich irren, haben die Leute bei sich gedacht. Ich meine, ich könnte natürlich wilde Pastinaken nicht mal von Heu unterscheiden, aber Mrs. Spence...«
    Statt fertigzusprechen, breitete sie in einer Geste der Ratlosigkeit die Hände aus.
    »Aber das ist doch alles bei der Leichenschau abgehandelt worden«, meinte Deborah.
    »O ja. Gleich hier oben, im Gerichtssaal - haben Sie den schon gesehen? Da müssen Sie noch reinschauen, ehe Sie zu Bett gehen.«
    »Und wer hat ausgesagt?« fragte St. James, der ziemlich sicher war, wie die Antwort lauten würde, und erwartete, daß sie sein Unbehagen neu beleben würde. »Ich meine, außer Mrs. Spence.«
    »Der Constable.«
    »Der Mann, der heute abend mit ihr hier war?«
    »Ja, genau, Mr. Shepherd. Er hat Mr. Sage gefunden - die Leiche, mein ich. Draußen auf dem Fußweg zum Herrenhaus und zum Cotes Fell. Das war am Samstag morgen.«
    »Hat er die Untersuchung allein durchgeführt?«
    »Soviel ich weiß, ja. Er ist schließlich für unser Dorf zuständig, oder?«
    St. James sah, wie Deborah sich ihm neugierig zuwandte. Sie sagte nichts, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wohin seine Gedanken führten.
    Es war, dachte er, nicht ihre Angelegenheit. Sie waren in dieses Dorf gekommen, um Urlaub zu machen. Fern von London und fern von zu Hause, hatten sie geglaubt, würde es keine Ablenkungen geben, das Gespräch zu verdrängen, das zwischen ihnen notwendig geworden war.
    Aber es war eben nicht so leicht, dem analytischen Fragen, das ihm zur zweiten Natur geworden war und Antwort verlangte, einfach den Rücken zu kehren. Noch schwerer war es, die Stimme Rutherfords zu überhören. Sie brauchen das dickere Ende der Pflanze, Herrschaften. Ganz typisch, dieses Prachtexemplar hier, der Stengel und die Wurzel. Der Stengel ist verdickt, wie Sie sehen werden, und daran hängt nicht nur eine Wurzel, sondern mehrere. Wenn wir den Stengel anschneiden, so etwa, steigt uns sofort der Geruch roher Pastinake in die Nase. Also, rekapitulieren wir... Wer wagt es? Die buschigen Brauen zusammengezogen, die selbst wie verwilderte Pflanzen aussahen, pflegte Rutherford sich mit seinen blauen Augen im Labor umzusehen, um den Unglücksraben unter den Studenten zu ertappen, der allem Anschein nach am wenigsten begriffen hatte. Er besaß eine besondere Gabe dafür, sowohl Verwirrung als auch Desinteresse zu erkennen, und rief mit Vorliebe diejenigen auf, bei denen Derartiges zu bemerken war. Mr. Allcourt-St. James. Klären Sie uns auf. Bitte. Oder ist das an diesem herrlichen Morgen zuviel verlangt?
    St. James hörte die Worte so deutlich, als stünde er, in diesem Moment gerade einundzwanzig Jahre alt, in dem Labor in Glasgow, jedoch mit seinen Gedanken keineswegs bei organischen Giften, sondern bei der heißen Nacht, die er beim letzten Besuch zu Hause mit seiner Freundin verbracht hatte. Aus seinen Phantasien gerissen, unternahm er einen tapferen Versuch zu bluffen. Cicuta virosa, sagte er und räusperte sich, um Zeit zu gewinnen, Gift: Cicutoxin. Wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem, ruft heftige Konvulsionen hervor... Der Rest war ein Geheimnis.
    Und, Mr. St. James? Was noch? Was noch?
    Aber ach, seine Gedanken ließen sich nicht aus dem Schlafzimmer losreißen. Sonst erinnerte er sich an nichts.
    Doch hier, in Lancashire, mehr als fünfzehn Jahre später, gab Josephine Eugenia Wragg ihm die Antwort. »Sie hebt die Wurzeln und Knollen immer im Keller auf. Kartoffeln und Karotten und Pastinaken und alles, jedes in einem extra Korb. Und da hat's dann geheißen, wenn sie's dem Pfarrer nicht absichtlich hingestellt hat, dann könnte vielleicht sich jemand in den Keller geschlichen und den Schierling heimlich zu den Pastinaken gelegt haben. Und dann hat er einfach abgewartet. Aber sie hat bei der gerichtlichen Untersuchung gesagt, das könnte nicht passiert sein, weil der Keller immer abgeschlossen ist. Na schön, haben daraufhin alle gesagt, dann wollen wir das glauben, aber wenn es so ist, dann hätte gerade sie wissen müssen, daß

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