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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zum Essen.
    »Mr. Wragg hat immer gesagt, er esse sich zum Ruhme Gottes durch. Aber auf den darf man nicht hören, der geht nämlich nie in die Kirche, außer an Weihnachten oder bei einer Beerdigung.«
    Und an einem Freitag abend besuchte er Mrs. Spence. Er war allein mit ihr, weil Mrs. Spences Tochter...
    »Sie ist meine beste Freundin - Maggie.«
    ... den Abend mit Josie zusammen hier, im Pub, verbracht hatte. Mrs. Spence hatte immer jedem, der es wissen wollte, klar und deutlich gesagt, daß sie im allgemeinen nichts davon hielt, zur Kirche zu gehen, obwohl der Kirchgang im Dorf das einzige gesellschaftliche Ereignis war, das regelmäßig wiederkehrte. Aber sie wollte dem Pfarrer gegenüber auch nicht unhöflich sein, deshalb war sie bereit, ihn anzuhören, als er versuchte, sie dazu zu überreden, der Kirche noch einmal eine Chance in ihrem Leben zu geben. Sie war immer eine höfliche Frau. So war sie einfach. Der Pfarrer ging also an dem Abend zu ihrem Haus hinaus und hoffte, es werde ihm gelingen, sie in den Schoß der Kirche zurückzuholen. Am nächsten Morgen hatte er eine Trauung.
    »Da sollte er diese dürre Ziege, Becca Townley-Young, und Brendan Power verheiraten - der draußen an der Bar steht und Gin trinkt, haben Sie ihn gesehen?«
    Aber er erschien nicht, und da suchte man ihn und find ihn tot.
    »Er war schon ganz steif und hatte ganz blutige Lippen, und die Zähne hatte er so fest zusammengebissen, als hätten sie sie ihm zusammengeklammert.«
    »Na, das muß aber schon eine merkwürdige Lebensmittelvergiftung gewesen sein«, bemerkte Simon skeptisch. »Denn wenn Nahrungsmittel verdorben sind...«
    Nein, so eine Lebensmittelvergiftung sei es ja nicht gewesen, erklärte Josie, und legte eine kurze Pause ein, um sich durch ihren dünnen Rock hindurch am Po zu kratzen. Es sei eine richtige Lebensmittelvergiftung gewesen.
    »Du meinst, es war Gift im Essen?« fragte Deborah.
    Das Essen war das Gift. Wilde Pastinaken, die sie unten am Teich gleich beim Herrenhaus gepflückt hatte. »Aber es waren gar keine wilden Pastinaken, wie Mrs. Spence gedacht hat. Überhaupt nicht. Es war was ganz anderes.«
    »Ach Gott«, sagte Deborah, als die Umstände klarer wurden. »Wie tragisch.«
    »Es war Schierling, Giftwasserschierling«, sagte Josie atemlos. »Wie das Zeug, das Sokrates damals in Griechenland getrunken hat. Sie hat gedacht, es wäre Pastinake, und der Pfarrer dachte es auch, und darum hat er's gegessen, und dann.«
    Sie packte sich selbst an der Kehle und gab Röchelgeräusche von sich. Gleich darauf sah sie sich ängstlich und verstohlen um. »Sagen Sie bloß meiner Mutter nicht, daß ich das gemacht hab. Die bringt mich um, wenn sie hört, daß ich mit dem Tod gespaßt hab. Bei den Jungs im Dorf ist es so 'ne Art schwarzer Witz, wissen Sie: Ziehkutajetzt und gleichbistemausetot.«
    »Zieh was?« fragte Deborah.
    »Cicuta«, sagte Simon. »Der lateinische Name für die Gattung. Cicuta maculata. Cicuta virosa. Die Sache ist wohl eindeutig.«
    Die Stirn gerunzelt, spielte er geistesabwesend mit dem Messer, mit dem er sich kurz zuvor ein Stück Käse abgeschnitten hatte. Doch den Käse beachtete er nicht; aus irgendeinem Grund, den er in diesem Moment nicht verstand, mußte er plötzlich an Professor Ian Rutherford von der Universität Glasgow denken, der selbst zu den Vorlesungen stets im weißen Kittel erschien und immer sagte: Einer Leiche kann man nichts übelnehmen, Herrschaften. Wieso, zum Teufel, fragte sich Simon, kam ihm der alte Professor so unversehens in den Sinn?
    »Und zu der Hochzeit am nächsten Morgen ist er nicht erschienen«, fuhr Josie fort. »Mr. Townley-Young ärgert sich darüber heute noch grün. Erst nachmittags um halb drei haben sie einen anderen Pfarrer gefunden, und das ganze Hochzeitsfrühstück war total im Eimer. Mehr als die Hälfte der Gäste war schon wieder abgehauen. Manche Leute behaupteten, Brendan hätte das alles eingefädelt weil's nämlich eine Muß-Heirat war und keiner sich vorstellen kann, daß es einen Mann gibt, der nicht versuchen würde, eine Heirat mit Becca Townley-Young irgendwo doch noch abzubiegen. Aber jetzt mach ich schon wieder meine Witzchen. Wenn meine Mutter das erfährt, gibt's Riesenzoff. Sie hat Mr. Sage nämlich gern gemocht.«
    »Und du?«
    »Ich hab ihn auch gemocht. Alle haben ihn eigentlich gemocht. Außer Mr. Townley-Young. Der hat immer gesagt, der Pfarrer wär ihm viel ›zu volkstümlich und zu protestantisch‹, weil nämlich der

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