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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Krawall nach zu urteilen, und nicht unbedingt ein freundlicher Hund.
    »Ruhig, Leo, setz dich«, sagte ein Mann, und augenblicklich hörte das Bellen auf. Das Licht der Veranda flammte auf - obwohl es noch nicht ganz dunkel war -, und die Tür wurde geöffnet.
    Colin Shepherd, an dessen Seite ein großer schwarzer Retriever saß, musterte sie mit einer Miene, die weder Unwissenheit noch Verwunderung zeigte, und seine Worte erklärten sogleich, wie das kam. Mit einem kurzen, förmlichen Nicken sagte er: »Scotland Yard. Sergeant Hawkins sagte mir schon, daß Sie wahrscheinlich heute bei mir vorbeikommen würden.«
    Lynley zeigte seinen Dienstausweis und stellte St. James vor, zu dem Shepherd nach einem prüfenden Blick sagte: »Sie wohnen im Crofters Inn, nicht wahr? Ich habe Sie gestern abend dort gesehen.«
    »Ja, meine Frau und ich wollten Mr. Sage besuchen.«
    »Die Dame mit dem roten Haar. Sie war heute morgen draußen am Stausee.«
    »Ja, sie wollte einen Spaziergang machen.«
    »Hier in der Gegend kann es sehr plötzlich neblig werden. Da sollte man lieber nicht allein wandern, wenn man das Gebiet nicht kennt.«
    »Ich werde es ihr sagen.«
    Shepherd trat von der Tür zurück. Der Hund stand auf und knurrte leise. »Ruhig jetzt«, sagte Shepherd. »Geh wieder ans Feuer.«
    Gehorsam trottete der Hund davon.
    »Sie brauchen ihn dienstlich?« fragte Lynley.
    »Nein. Nur zur Jagd.«
    Shepherd wies mit dem Kopf auf einen Garderobenständer am einen Ende des Flurs. Darunter standen drei Paar Gummistiefel, zwei davon auf den Seiten mit frischem Schlamm beschmiert. Neben den Stiefeln stand ein Milchkorb aus Metall; von einer seiner Querstangen hing an einem Fädchen die Puppe eines bereits ausgeschlüpften Insekts herab. Shepherd wartete, während Lynley und St. James ihre Mäntel aufhängten. Dann führte er sie in der Richtung, die schon der Retriever eingeschlagen hatte, weiter durch den Korridor.
    Sie traten in ein Wohnzimmer, in dem ein Feuer brannte. Ein älterer Mann war gerade dabei, ein Scheit in die Flammen zu legen. Man sah auf den ersten Blick, daß es Colin Shepherds Vater war. Die beiden hatten viel Ähnlichkeit. Nur die langgliedrigen sensiblen Finger, die bei Colin sofort auffielen, fehlten dem Vater, dessen Hände breit und grobknochig waren.
    Der ältere Shepherd klatschte kurz in die Hände, um sie von Holzstaub zu befreien. Dann trat er auf Lynley und St. James zu. »Kenneth Shepherd«, sagte er. »Chief Inspector CID Hutton-Preston. Jetzt im Ruhestand. Aber ich vermute, das wissen Sie bereits.«
    »Sergeant Hawkins hat es mir gesagt, ja.«
    »Freut mich, Sie beide kennenzulernen.«
    Er warf einen Blick auf seinen Sohn. »Möchtest du den Herren nicht etwas anbieten, Col?«
    Der Constable blieb trotz der Jovialität seines Vaters reserviert. Die Augen hinter den Brillengläsern blieben wachsam. »Bier«, sagte er. »Whisky. Cognac. Ich habe auch einen Sherry da, der schon seit sechs Jahren Staub ansetzt.«
    »Ja, Annie hat gern Sherry getrunken, nicht wahr?« meinte der Vater. »Sie ruhe in Frieden. Ich versuch mal den Sherry. Und Sie?«
    »Nichts«, antwortete Lynley.
    »Für mich auch nicht«, sagte St. James.
    An einem kleinen Beistelltisch an der Wand goß Shepherd den Sherry für seinen Vater ein und aus einer Karaffe etwas für sich. Lynley sah sich derweilen im Zimmer um.
    Die Einrichtung war spärlich und machte den Eindruck, als hätte der Bewohner in aller Eile bei Hausstandsauflösungen zusammengekauft, was er gerade gebraucht hatte, ohne dem Aussehen des Mobiliars Beachtung zu schenken. Über dem Rücken eines mitgenommenen Sofas hing wie der Mantel der Nächstenliebe eine selbstgestrickte Decke aus vielen bunten Quadraten, die den ursprünglichen Bezug mit den großen, mittlerweile zum Glück verblaßten pinkfarbenen Anemonen größtenteils verbarg. Zwei Ohrensessel, die nicht zusammenpaßten, standen sich mit abgewetzten Bezügen und Mulden in den Rückenlehnen, wo unzählige Köpfe ihren Eindruck hinterlassen hatten, gegenüber. Abgesehen von einem Couchtisch mit geschwungenen Beinen, einer Messingstehlampe und dem Beistelltisch, auf dem die Getränke standen, war nur ein gutes Stück in dem Raum, und das hing an der Wand. Es war eine Glasvitrine mit einer Sammlung von Gewehren und Schrotflinten. Die Waffen waren das einzige in diesem Raum, das gepflegt aussah. Sie waren Shepherd wohl ebenso wichtig wie sein Hund, der es sich inzwischen auf einem fleckigen alten Polster vor dem Feuer

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