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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich um Pastinake, Giftwasserschierling erntete, so ginge es ihm keineswegs um die Früchte. Vielmehr würde er die Pflanze ausgraben, um die Wurzel zu verwenden.
    »Und genau da liegt der Hase im Pfeffer«, fügte St. James hinzu.
    »Die unterscheidenden Merkmale sind also an der Wurzel zu finden, nehme ich an.«
    »Richtig.«
    Nun regte sich bei Lynley doch ein gewisses Unbehagen.
    Dies war zum Teil der Grund dafür, daß er den Koffer, den er für eine Woche im milden Winter Korfus eingepackt hatte, wieder leerte, um ihn mit geeigneter Kleidung für den bitterkalten Norden zu füllen, und dann den M1 bis zum M6 hinauffuhr und auf diesem weiter bis tief hinein zu den gottverlassenen Hochmooren, wolkenverhangenen Bergen und alten Dörfern Lancashires, aus denen vor mehr als dreihundert Jahren der Hexenwahn in seinen häßlichsten Auswüchsen aufgestanden war.
    Roughlee, Blacko und Pendle Hill und die Erinnerung, die mit diesen Namen verbunden war, waren von dem Dorf Winslough nicht allzu weit entfernt. Und nahe war auch das Trough of Bowland, durch das zwanzig Frauen zu ihrem Prozeß und ihrer nachfolgenden Hinrichtung auf Lancaster Castle gebracht worden waren. Immer wieder konnte man in der Geschichte beobachten, daß Wahn und Verfolgung am ehesten gediehen, wenn in einer Gemeinschaft wachsende Spannungen vorhanden waren und man einen Sündenbock brauchte, um sie zu lösen. Lynley fragte sich, ob der Tod eines Dorfpfarrers durch die Hand einer Frau wohl Spannung genug hervorgebracht hatte.
    Er löste sich von seiner Betrachtung der Kirche und kehrte zu seinem Bentley zurück. Er schaltete die Zündung ein, und die Musik, die er sich auf der Fahrt angehört hatte, setzte wieder ein. Mozarts Requiem. Die düsteren Töne von Streichern und Holzbläsern, die den feierlichen Chorgesang begleiteten, schienen den Umständen angemessen. Er lenkte den Wagen wieder auf die Straße hinaus.
    Wenn Robin Sage nicht durch einen Irrtum ums Leben gekommen war, dann auf andere Weise, aus den Fakten zu schließen, durch Mord.
    »An der Wurzel kann man den Giftwasserschierling von den anderen umbelliferae unterscheiden«, hatte St. James erklärt. »Die wilde Pastinake hat einen einzelnen Wurzelstock. Der Giftwasserschierling hat ein Büschel von Wurzelknollen.«
    »Aber wäre es nicht im Bereich des Möglichen, daß diese besondere Pflanze nur einen einzigen Wurzelstock hatte?«
    »Möglich ist es, ja. Ebenso wie eine andere Pflanze statt eines einzigen Wurzelstocks zwei oder drei Nebenwurzeln haben kann. Aber statistisch gesehen ist es höchst unwahrscheinlich, Tommy.«
    »Trotzdem, man kann es nicht ausschließen.«
    »Gut. Aber selbst wenn diese spezielle Pflanze in dieser Hinsicht anormal gewesen wäre, gibt es am unterirdischen Teil der Sproßachse noch andere Charakteristika, die, sollte man meinen, einer Frau, die sich mit Pflanzen und Kräutern auskennt, aufgefallen wären. Wenn man nämlich die Sproßachse des Giftwasserschierlings der Länge nach aufschneidet, sieht man, daß sie in Knoten und Internodien gegliedert ist.«
    »Moment mal, Simon. Ich bin kein Naturwissenschaftler.«
    »Entschuldige. Man könnte vielleicht von Kammern sprechen. Sie sind hohl, und über dem hohlen Teil spannt sich horizontal eine Scheidewand aus Markgewebe.«
    »Und die wilde Pastinake hat diese Kammern nicht?«
    »Nein. Und sie verliert auch keine ölige gelbe Flüssigkeit, wenn man ihren Stengel anschneidet.«
    »Aber hätte sie den Stengel denn überhaupt angeschnitten? Hätte sie ihn der Länge nach aufgemacht?«
    »Nein, letzteres wahrscheinlich nicht. Aber wie hätte sie die Wurzel entfernen können - selbst wenn es normalerweise nur eine einzige war -, ohne den Stengel abzuschneiden? Selbst wenn sie die Wurzel abgebrochen hätte, hätte die Pflanze diese Flüssigkeit abgesondert.«
    »Und du meinst, das müßte für einen Kenner Warnung genug sein? Ist es nicht möglich, daß sie abgelenkt war und deshalb nicht aufgepaßt hat? Vielleicht war sie in Begleitung, als sie die Pflanze ausgegraben hat. Vielleicht hat sie sich mit jemand unterhalten oder gestritten oder war sonst in irgendeiner Weise abgelenkt. Vielleicht wurde sie sogar ganz bewußt abgelenkt.«
    »Das sind alles Möglichkeiten. Und man sollte ihnen nachgehen, nicht wahr?«
    »Laß mich erst mal ein paar Anrufe machen.«
    Die hatte er gemacht. Die Antworten, die er erhielt, hatten sein Interesse geweckt. Da der geplante Urlaub in Korfu nur zu einem weiteren unerfüllten

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