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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hinterlassen hatte.
    All dies, sagte er sich, hätte er schon vorher sehen müssen. Er hätte nicht so versessen darauf sein dürfen, »Tod durch Unfall« zu hören, daß er darüber die Spuren übersah, die ihm hätten verraten können, daß Robin Sages Tod eben doch nicht auf einen Unfall zurückzuführen war. Hätte er sich mit Juliets eigenen Schlußfolgerungen auseinandergesetzt, hätte er einen klaren Kopf behalten und ihr vertraut, so hätte er ihr den schwarzen Fleck des Verdachts, den nachfolgenden Klatsch, die schreckliche Überzeugung, den Mann tatsächlich getötet zu haben, ersparen können.
    Er schaltete die Taschenlampe aus und ging zur Hintertür. Er klopfte. Es rührte sich nichts. Er klopfte ein zweites Mal, dann drehte er den Knauf. Die Tür öffnete sich.
    »Bleib«, sagte er zu Leo, der sich gehorsam setzte. Er trat in das Haus.
    In der Küche roch es nach Abendessen - ein Duft nach gebratenem Hühnchen und frisch gebackenem Brot, nach Knoblauch und Olivenöl. Ihm fiel ein, daß er seit dem vorhergehenden Abend nichts mehr gegessen hatte. Er hatte den Appetit zusammen mit der Selbstsicherheit verloren, als Sergeant Hawkins ihn am Morgen angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, daß er mit einem Besuch von New Scotland Yard rechnen müsse.
    »Juliet?«
    Er knipste das Küchenlicht an. Auf dem Herd stand ein Topf, auf der Arbeitsplatte eine Schüssel mit Salat, der alte Resopaltisch mit dem Brandfleck, der wie ein Halbmond geformt war, war für zwei gedeckt. Zwei Gläser waren gefüllt - das eine mit Milch, das andere mit Wasser -, aber niemand hatte gegessen, und als er das Glas mit der Milch berührte, fühlte er an der Temperatur, daß es schon eine ganze Weile so gestanden haben mußte. Wieder rief er ihren Namen und ging dann durch den Gang ins Wohnzimmer.
    Sie stand am Fenster im Dunkeln, einem Schatten gleich, die Arme unter der Brust verschränkt, und sah in die Nacht hinaus. Er sagte ihren Namen. Sie antwortete, ohne sich vom Fenster abzuwenden.
    »Sie ist nicht nach Hause gekommen. Ich habe überall angerufen. Am Nachmittag war sie mit Pam Rice zusammen. Dann mit Josie. Und jetzt...«
    Sie lachte kurz und bitter. »Ich kann mir schon denken, wo sie jetzt ist. Und was sie treibt. Er war gestern abend hier, Colin. Nick Ware. Schon wieder.«
    »Soll ich gehen und sie suchen?«
    »Was hätte das für einen Sinn? Sie hat es sich in den Kopf gesetzt. Wir können sie nach Hause schleppen und in ihrem Zimmer einsperren, aber damit würden wir das Unvermeidliche nur hinausschieben.«
    »Was denn?«
    »Sie will unbedingt ein Kind bekommen.«
    Juliet drückte die Fingerspitzen auf ihre Stirn, massierte in Kreisen bis zum Haaransatz hinauf, packte ein Büschel ihrer Haare und zog so fest, als wollte sie sich selbst Schmerz zufügen. »Sie hat von nichts eine Ahnung. Und ich genausowenig, Gott im Himmel. Wieso hab ich mir je eingebildet, ich könnte einem Kind etwas geben?«
    Er kam durch das Zimmer zu ihr und blieb hinter ihr stehen. Sachte zog er ihre Hand aus dem Haar. »Aber natürlich kannst du ihr etwas geben. Das ist doch nur eine Phase.«
    »Die ich herbeigeführt habe.«
    »Wie denn?«
    »Mit dir.«
    Colin fühlte ein dunkles Unbehagen in sich aufwallen. »Juliet«, sagte er. Aber er wußte nicht, wie er sie beruhigen könnte.
    Das alte Arbeitshemd, das sie zu ihrer Blue Jeans trug, roch schwach nach irgendeinem Gewürz. Rosmarin, dachte er. An etwas anderes wollte er jetzt nicht denken. Er drückte seine Wange an ihre Schulter und fühlte den Stoff weich an seiner Haut.
    »Wenn ihre Mutter sich einen Liebhaber nehmen kann, warum dann nicht auch sie?« sagte Juliet. »Ich habe dich in mein Leben gelassen, und jetzt muß ich dafür bezahlen.«
    »Da wird sie drüber hinauswachsen. Du mußt ihr nur Zeit lassen.«
    »Und in dieser Zeit schläft sie regelmäßig mit einem fünfzehnjährigen Jungen?«
    Sie löste sich von ihm, und er spürte die Kälte, die von ihr ausging. »Ich kann ihr keine Zeit lassen. Und selbst wenn ich es könnte - das, was sie tut, was sie sucht, wird durch die Tatsache kompliziert, daß sie ihren Vater sucht, und wenn ich ihn nicht schleunigst aus dem Ärmel schütteln kann, wird sie Nick zum Vater machen.«
    »Dann laß mich ihr Vater sein.«
    »Darum geht es doch nicht. Sie will den echten Vater, nicht irgendeinen Ersatz, der zehn Jahre zu jung ist und blind verliebt in ihre Mutter, der sich einbildet, Ehe und Kinder seien die Antwort auf alles, der...«
    Sie brach ab. »O

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