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06 - Denn keiner ist ohne Schuld

06 - Denn keiner ist ohne Schuld

Titel: 06 - Denn keiner ist ohne Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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anzuschwärzen.«
    Ohne ein weiteres Wort ging er davon, blieb erst nach etwa zwanzig Metern stehen, um seine Pfeife neu zu stopfen und anzuzünden. Das Streichholz flammte auf, die nachfolgende Glut verriet, daß es diesmal funktionierte.

11
    Den Rest des Wegs machte Colin seine Taschenlampe nicht mehr aus. Jeder Versuch, sich in die Dunkelheit zu flüchten, war jetzt sinnlos geworden. Brendan Powers letzte Worte hatten ihn wachgerüttelt.
    Er versuchte sich abzusichern, das konnte er nicht leugnen, indem er falsche Spuren legte. Er war auf der Suche nach einer Alternativrichtung, in die er die Londoner Polizei führen konnte.
    Nur für den Fall, sagte er sich. Weil die Alternativen in seinem Hirn immer lauter zu rumoren begannen und er etwas tun mußte, um dem ein Ende zu bereiten. Er mußte etwas unternehmen, das in seiner Zuständigkeit lag, unter den Umständen geboten war und ihm garantierte, daß er ruhig schlafen konnte.
    Er hatte nicht darüber nachgedacht, wohin ein solcher Versuch führen würde; erst bei der Begegnung mit Brendan Power war ihm plötzlich klargeworden, was geschehen sein konnte, was geschehen sein mußte, daß Juliet sich die Schuld gab, obwohl sie nur indirekt verantwortlich war.
    Gleich von Anfang an war er überzeugt gewesen, daß der Tod des Pfarrers auf einen Unfall zurückzuführen war; hätte er eine andere Erklärung auch nur in Betracht gezogen, so hätte er sich morgens nicht mehr im Spiegel ansehen können. Jetzt aber sah er, wie grundlegend er sich möglicherweise geirrt hatte, wie sehr er Juliet in jenen finsteren Augenblicken unrecht getan hatte, da er - wie alle anderen im Dorf - sich gefragt hatte, wie ausgerechnet ihr dieser tödliche Irrtum hatte unterlaufen können. Jetzt erkannte er, wie sie manipuliert worden war, damit sie glauben mußte, einen Fehler gemacht zu haben. Jetzt sah er klar, wie alles eingefädelt worden war.
    Dieser Gedanke und das stürmische Verlangen, das Unrecht, das ihr angetan worden war, zu rächen, trieben ihn nun vorwärts. Ein kurzes Stück hinter dem Pförtnerhäuschen, in dem Polly Yarkin mit ihrer Mutter lebte, bog er, vom vergnügt tollenden Leo begleitet, in den Eichenwald ab. Wie einfach es war, sich vom Pförtnerhäuschen zum Herrenhaus zu schleichen, dachte er. Man brauchte nicht einmal die katastrophale kleine Straße zu benützen.
    Der Fußweg führte ihn unter Bäumen hindurch, über zwei Stege, deren Holz vermoost war und mit jedem feuchten Winter etwas weiter faulte, und über schwammigen Laubboden, der mit Wasser und Fäulnis vollgesogen unter einer feinen Reifdecke lag. Er endete dort, wo die Bäume dem Garten des Verwalterhäuschens wichen, und als Colin diese Stelle erreichte, blieb er stehen. Leo sprang über Komposthaufen und brachliegende Erde zum Haus, um an der Tür zu kratzen. Colin schwenkte den Strahl seiner Lampe hierhin und dorthin, um sich der Details zu vergewissern: das Gewächshaus unmittelbar zu seiner Linken, abseits vom Häuschen, kein Schloß an der Tür; dahinter der Schuppen, vier Holzwände und ein Dach aus Teerpappe, Aufbewahrungsraum für die Geräte, die sie im Garten und bei ihren Ausflügen in den Wald zum Sammeln von Pflanzen und Wurzeln brauchte; das Häuschen selbst mit der grünen Kellertür - von der die grüne Farbe in großen Stücken abblätterte -, die in die dunkle, nach Lehm riechende Höhle unter dem Häuschen führte, in der sie ihre Wurzeln aufbewahrte. Er hielt den Strahl der Taschenlampe auf diese Tür gerichtet, während er durch den Garten ging. Er untersuchte das Vorhängeschloß, das die Tür sicherte. Leo kam angesprungen und rammte seinen Kopf gegen Colins Schenkel. Er sprang auf die schrägliegende Fläche der Tür. Seine Krallen machten Kratzgeräusche auf dem Holz, und ein Scharnier quietschte.
    Colin richtete sein Licht darauf. Es war alt und verrostet, saß nur noch locker im hölzernen Pfosten, der seinerseits in dem schrägen Steinsockel verankert war, der als Fundament diente. Colin bewegte das Scharnier mit seinen Fingern, vor und zurück, hinauf und hinunter. Er senkte die Hand zum unteren Scharnier. Es saß fest im Holz. Er beleuchtete es, besah es sich genau, fragte sich, ob man die Kratzer, die er erkennen konnte, als Anzeichen dafür deuten konnte, daß jemand versucht hatte, die Schrauben zu lockern, oder ob das nur Schmirgelspuren waren, zurückgeblieben, als man das Metall von den Flecken gereinigt hatte, die ein schlampiger Handwerker beim Streichen der Tür

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