06 - Der Schattenkrieg
»Felix Cortez«, antwortete er und reichte dem FBI-Mann eine Fotokopie des Fernschreibens. »Sie nehmen an, daß es sich um Cortez handelt«, betonte der FBI-Agent und lächelte dann. »Aber ich würde nicht wetten. Wenn wir ein Bild von diesem Kerl hätten, stünden unsere Chancen, ihn zu schnappen, nicht schlecht. Aber so…« Er seufzte. »Na gut, ich stelle auf den Flughäfen Leute auf. Wir wollen alles versuchen, aber Sie wissen ja, wie die Chancen stehen. Ich nehme an, daß er im Lauf der kommenden vier Tage eintrifft. Wir werden alle Flüge von dort unten und auch alle Verbindungsflüge überprüfen.«
Das Problem war vorwiegend mathematischer Natur. Die Anzahl der Direktflüge von Kolumbien, Venezuela, Panama und anderen Ländern der Region nach Washington war relativ leicht abzudecken. Wenn der Gesuchte aber in Puerto Rico, den Bahamas, Mexiko oder einer Reihe anderer Städte umstieg, erhöhte sich die Zahl der möglichen Verbindungen um das Zehnfache. Machte er nur einen weiteren Zwischenstop in den Vereinigten Staaten, ging die Zahl der vom FBI zu überwachenden Flüge in die Hunderte. Cortez war ein vom KGB ausgebildeter Profi, der darüber ebensogut Bescheid wußte wie diese beiden Männer. Ganz hoffnungslos war der Fall nicht. Die Polizei hofft immer auf einen Glücksfall, denn selbst der geschickteste Gegenspieler ist manchmal sorglos oder hat Pech. Und auf einen solchen Glücksfall mußten Hooker und Burke hoffen.
Leider traf er nicht ein. Cortez flog mit Avianca nach Mexico City und von dort aus mit American Airlines weiter zum Flughafen Dallas Fort Worth, wo er durch den Zoll ging und dann einen Flug nach New York nahm. Dort stieg er im Hotel St. Moritz ab. Inzwischen war es drei Uhr früh, und er brauchte Schlaf. Er wies die Rezeption an, ihn um zehn zu wecken, und ließ sich eine Fahrkarte Erster Klasse für den Metroliner nach Washington buchen. In diesen Zügen gab es Telefon. Er konnte sie also verständigen, falls etwas nicht klappte. Oder vielleicht… nein, er beschloß, sie lieber nicht am Arbeitsplatz anzurufen; das FBI hörte sicher seine eigenen Leitungen ab. Ehe er sich aufs Bett fallen ließ, zerriß Cortez noch seine Flugscheine und den Gepäckanhänger.
Um 9 Uhr 56 wurde er vom Telefon geweckt. Fast sieben Stunden Schlaf, dachte er. Es kam ihm zwar eher wie ein paar Minuten vor, aber nun war keine Zeit zum Trödeln. Eine halbe Stunde später erschien er am Empfang, zahlte und nahm seinen Eisenbahnfahrschein entgegen. Bald darauf saß er im Zug und bekam ein Frühstück serviert. Als der Zug in Philadelphia hielt, schlief er schon wieder. Um ein Uhr, als sich der Metroliner 111 Baltimore näherte, flammten im Presseraum des Weißen Hauses die Scheinwerfer auf. Die Reporter hatten bereits die »Hintergrundinformationen ohne Quellenangabe« erhalten, der Justizminister werde eine wichtige Erklärung zum Thema Drogen abgeben. Die großen Fernsehanstalten unterbrachen ihr Nachmittagsprogramm nicht es war schließlich keine Kleinigkeit, die Zuschauer um ihre Seifenopern zu bringen, aber CNN blendete wie gewöhnlich »Special Report« ein. Im Pentagon, wo Offiziere vom Dienst in der höchsten Befehlszentrale das CNN-Programm sahen, fiel das sofort auf. Dies war der vielleicht vielsagendste Kommentar zur Fähigkeit der amerikanischen Nachrichtendienste, ihre Regierung informiert zu halten, aber über diesen Punkt verbreiteten sich die großen Anstalten aus naheliegenden Gründen natürlich nie.
Der Justizminister ging zögernd ans Rednerpult, denn er war trotz seiner Erfahrung als Anwalt kein guter Redner. Andererseits kleidete er sich gut, war fotogen und bei den Medien beliebt, weil er hin und wieder einmal etwas durchsickern ließ.
»Meine Damen und Herren«, begann er und fingerte an seinem Manuskript, »Sie werden gleich eine Presseerklärung zum Unternehmen TARPON erhalten, der bisher wirksamsten Aktion gegen das internationale Drogenkartell.« Er schaute auf und versuchte, gegen die grellen Scheinwerfer die Gesichter der Reporter zu erkennen.
»Im Auftrag des Justizministeriums vom FBI geführte Ermittlungen haben eine Reihe von Bankkonten in den USA und im Ausland identifiziert, die in einem bisher unbekannten Ausmaß zur Geldwäsche benutzt wurden. Betroffen sind Konten bei Banken von Liechtenstein bis Kalifornien, und die Einlagen betragen laut unserer gegenwärtigen Schätzung über sechshundertfünfzig Millionen Dollar.« Er hob wieder den Kopf, als er erstaunte Ausrufe der
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